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Potsdam-Mittelmark: „Mutt, mutt“

Schweinemäster Schulz sucht sein Glück bei Moskau / Russen kauften Öko-Betrieb samt Inhaber

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Potsdam-Mittelmark - Hightech-Landmaschinen, Rindermastanlagen und Technologie für die Hühnerzucht: Russland geht für eine schnelle Modernisierung seiner maroden Landwirtschaft auf weltweite Einkaufstour. Auf der Grünen Woche in Berlin wurden kürzlich wieder Kontrakte für etliche Millionen Euro unterzeichnet. Jetzt sind die Einkäufer auch im Landkreis Potsdam-Mittelmark fündig geworden. Dabei setzen sie nicht nur auf Technik, sondern auch auf menschliches Wissen: Kurzerhand erwarben die Russen einen ökologischen Schweinemastbetrieb samt Inhaber.

„Im Mai werde ich mit 70 Sauen und sechs Ebern eine Bio-Zucht in Russland betreiben“, berichtet Landwirt Bernd Schulz aus dem Brücker Ortsteil Gömnigk. Auf der Grünen Woche wurde er angesprochen und schloss gleich einen Vertrag ab. Damit zieht Schulz für mindestens drei Jahre die neue Heimat rund 280 Kilometer südlich von Moskau. Dies sei wie eine Fügung des Schicksals gewesen, sagt Schulz. Denn kurz zuvor habe er für seine Expansionspläne im Land Brandenburg eine Absage kassiert.

Geplant war eine Freiland-Schweinezucht mit Biogasanlage und Rapsölmühle in Neustadt/Dosse (Ostprignitz-Ruppin). „Nach einer anfänglichen Begeisterung kam dann doch die Ablehnung“, erzählt der Agrar-Unternehmer. Eine Schweinemast – auch ökologisch, ohne große Stallanlage habe wohl nicht zum Image der Pferdestadt gepasst. „Dann geht es jetzt eben im Osten weiter.“

Der 50-jährige Landwirt betreibt seit 1997 ökologische Schweinezucht. Auf einem 35 Hektar Areal laufen Ferkel umher und Sauen durchwühlen die Ackerkrume nach Futter. Sie finden in kleinen Wellblechhütten Unterschlupf, die an Mini-Hangare für Flugzeuge erinnern.

„Mutt, Mutt, Mutt“ ruft der Diplom-Agraringenieur. „Die Sau muss meine Stimme hören. Dann ist sie nicht so unruhig“, berichtet er den respektvoll Abstand haltenden Gästen. „Wichtig ist, mit den Tieren zu kommunizieren“, meint er und krault das mächtige Muttertier. Niedrige Elektrozäune reichen, damit die Schweine nicht ausbrechen. Ein Hütehund sorgt dafür, dass die Ferkel nicht vom weitläufigen Gelände ausbüxen und sich in Richtung Landstraße verlaufen.

Nach schweren Anfangsjahren läuft das Geschäft jetzt gut. Auch Schulz profitiert vom bundesweiten Bio-Boom. Er bereitet eine Fuhre Ferkel für den Transport nach Mecklenburg-Vorpommern vor. „Jetzt gibt es für die Tiere rund ein Viertel mehr als noch vor einigen Jahren“, stellt er zufrieden fest.

In Russland bieten sich jedoch noch ganz andere Möglichkeiten. Dort wird Schulz 2000 Hektar für die Freilandzucht haben. Vermittler für den Kontakte war die Schweisfurth-Stiftung, die sich für Nachhaltigkeit im Umgang mit der Natur einsetzt. In Russland gibt es die Möglichkeit zum Bau einer Biogasanlage für die Energieproduktion und Düngerversorgung sowie einer Rapsölanlage. Die Schweine suchen sich Nahrung und befreien den Acker so von Wildkraut. Auch liefert die Biogasanlage natürlichen Dünger. „Den brauchen wir dringend, denn Dünger ist in Russland teuer“, erläutert Schulz. Biodünger wirke zudem wie Pflanzenschutzmittel. Getreide dient als Schweinefutter.

„Die Schweine wurden wegen der strengen Veterinärbestimmungen bereits mehrfach untersucht – alles okay“, berichtet Schulz. „Und jetzt nehme ich die Sauen von hier mit. Die kommen am 1. Mai in Quarantäne, und am 23. Mai geht die Reise los.“ Die Abnehmer stehen schon fest: „Versorgt werden Menschen in Moskau und Arbeiter in einem neuen VW-Autowerk südlich der russischen Hauptstadt.“

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