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Potsdam-Mittelmark: Nach Hause
Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan wird in Geltow vorbereitet. Es wird ein Kraftakt
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Schwielowsee / Beelitz - Es ist der größte geordnete Rückzug aus einem Kriegsgebiet in der Geschichte der Bundeswehr. Seit Beginn des Einsatzes vor zehn Jahren wurden Fahrzeuge, Material und Ersatzteile immer nur nach Afghanistan gebracht. Jetzt muss alles wieder zurück nach Deutschland. Insgesamt 1700 Fahrzeuge hat die Bundeswehr am Hindukusch im Einsatz, für das gesamte restliche Material benötigt sie Platz in 6000 Containern. Am gestrigen Mittwoch waren genau 4557 Soldaten in Afghanistan. Ab Januar sollen es 4 400 sein, ein Jahr darauf noch 3 300. Ende 2014 endet der ISAF-Einsatz.
Die Planungen für den Rücktransport sind im vollen Gange, es ist ein Kraftakt. Richtig losgehen wird es aber erst im nächsten Jahr. „Das Material soll bis Ende 2014 zurückverlegt sein“, sagt ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Geltow. Von dort wird nicht nur der gesamte Einsatz der Truppe am Hindukusch geleitet, sondern auch die Verlegung von Soldaten und Technik zurück nach Deutschland. „Das ist eine eigene Operation“, sagt der Sprecher. Bereits jetzt fliegen die Transportflugzeuge aus Afghanistan mit Material zurück, es geht mehr raus als rein kommt. In Geltow wird in Zusammenarbeit mit der Streitkräfteunterstützungsbasis in Köln und dem Logistikzentrum in Wilhelmshaven genau festgelegt, was wann abtransportiert wird.
„Wir sind uns der Dimension bewusst und unterschätzen sie nicht, die Probleme sind aber nicht unlösbar“, sagt der Sprecher. Hochrangige Offiziere dagegen berichten hinter vorgehaltener Hand, dass die Bundeswehr zwar den Einsatz gemeistert hat, aber auf einen Rückzug in dieser Größenordnung nicht vorbereitet ist. Im Militärjargon ist übrigens auch nicht von Rückzug die Rede, weil es nach Niederlage klingt, sondern von Rückverlegung.
Dafür ist zunächst eine Inventur nötig. „Wir wissen genau, was vor Ort ist“, sagt der Sprecher des Einsatzführungskommandos. Soll heißen, jede Schraube, jedes kleines Teil wird erfasst. „Wir haben alles kategorisiert und eine Kennung vergeben, etwas kann gleich raus oder später“, sagt der Sprecher. Ein Teil werde auch vor Ort verschrottet oder an die Afghanen übergeben. „Es macht wenig Sinn, ein Fahrzeug, dass zehn Jahre lang im Wüstenstaub im Einsatz war, zurückzubringen, wenn der Transport teurer ist als der Materialwert.“
Für den Transport selbst müssten auch Wege identifiziert und eine Umschlagsbasis errichtet werden. Militärfahrzeuge mit Bewaffnung, Munition und Waffensystem sollen mit dem Flugzeug aus Afghanistan herausgeflogen und an einem Hafen auf Schiffe verladen werden, der Nato-Partner Türkei gilt als wahrscheinlicher Umschlagplatz. Alles Material, was nicht der militärischen Geheimhaltung unterliegt, soll per Lkw und Bahn nach Deutschland gefahren werden. „Es kann sich schlechterdings niemand vorstellen, dass durch Russland eine deutsche Panzerhaubitze fährt“, sagt der Bundeswehrsprecher. Mit dem Transport werden Spediteure beauftragt.
Ob auch das Beelitzer Logistikbataillon 172, das die deutsche Truppe in Afghanistan mit Material, Treibstoff und Post versorgen muss, mit dem Rücktransport beschäftigt sein wird, ist noch unklar. Es ist ohnehin noch kein Komplettabzug bis Ende 2014. Denn es gibt bereits einen Nato-Beschluss für einen Einsatz zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte auch nach 2014. Außerdem hätten sich die Beelitzer für einen Einsatz 2015 bereitzuhalten, so Presseoffizier Daniel Baron gestern auf PNN-Anfrage. Es gibt aber noch kein UN-Mandat und auch keinen Bundestagsbeschluss.
Seit Oktober 2012 sind wieder 244 Soldaten aus Beelitz in Masr-e-Sharif stationiert. Erstmals sieht ihr Einsatzbefehl auch vor, die Ausrüstung von insgesamt 8000 Soldaten zu sichern, wie der zuständige Regimentskommandeur Hartmut Geyer bei der Verabschiedung der Soldaten im September erklärt hatte.
Den Zeitplan zum Abzug und damit verbundene Schwierigkeiten wollte man in Beelitz mit Verweis auf die höheren Ebenen nicht kommentieren. „Grundsätzlich ist das Logistikbataillon 172 auf die Aufgaben, die im Rahmen einer Rückverlegung durchgeführt werden müssten, gut vorbereitet“, erklärte Presseoffizier Baron aber auf PNN-Anfrage. Er verwies zudem darauf, dass für eine eventuell notwendige Verstärkung zusätzliche Transportkräfte in Beelitz zur Verfügung stehen würden.
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