Potsdam-Mittelmark: „Nein zum Krieg – dürfen wir das?“
Mit Egon Bahr wurde das Katholische Gemeindezentrum Michendorf zur weltpolitischen Bühne
Stand:
Mit Egon Bahr wurde das Katholische Gemeindezentrum Michendorf zur weltpolitischen Bühne Von Thomas Lähns Michendorf - Wie sieht die Politik in Europa in den nächsten Jahren aus? Welche Rolle wird Deutschland dabei einnehmen – und wie wird sich Amerika in vier weiteren Jahren unter George W. Bush verhalten? Solch gewichtige Fragen wurden jetzt in Michendorf erörtert. Der Unterbezirksverband der SPD hatte Egon Bahr eingeladen – und mit ihm wurde der Saal im katholischen Gemeindezentrum zum weltpolitischen Forum. Mit Bahr verbinden sich Erinnerungen an die Ostpolitik der Brandt-Regierung Anfang der 70er Jahre. Als Staatssekretär im Bundeskanzleramt stand er hinter den Moskauer Verträgen. Auf seine Initiative hin verbesserten sich die Beziehungen zwischen BRD und DDR. Unter der anschließenden Kanzlerschaft Helmut Schmidts machte er sich als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit vordringlich für Entwicklungshilfe in den ärmsten Ländern der Welt stark. Die Sympathie für den alten und neuen Präsidenten der USA scheint bei Bahr nicht groß zu sein, nur einmal nennt er seinen Namen, sonst ist nur von „ihm“ die Rede. Nicht auf eine erneute Wiederwahl angewiesen, könne er jetzt machen, was er will. Was Bush will, habe sich nach dem 11. September vor drei Jahren gezeigt: In Anbetracht der Terror-Anschläge wurde ein umfangreiches Rüstungsprogramm verabschiedet. Mit dem Niedergang der Sowjetunion Anfang der 90''er war plötzlich auch die Rüstungskontrollpolitik weg. „Die Amerikaner rüsten immer weiter, ihre militärische Überlegenheit nimmt mit jedem Monat zu.“ „Er“ habe seinem Land geschadet, die Solidarität der Welt innerhalb weniger Monate ins Gegenteil umgekehrt. Der weißhaarige Mann sitzt während der ganzen Zeit aufrecht am Tisch. Mit wachen Augen verfolgt er seine Argumentationslinien. Vor ihm das Publikum, gebannt von den Ausführungen. „Ich erzähle jetzt eine Geschichte – alte Männer tun so etwas“, sagt er. Der damalige sowjetische Außenminister Gromyko habe ihn 1970 gefragt, wann Europa mit einer Stimme sprechen würde. „Wiedervorlage in 20 Jahren“, habe er darauf entgegnet. Doch noch heute seien wir weit davon entfernt, was sich in der Spaltung Europas durch den Irak-Krieg zeigte. „Deutschland hat gesagt: Wir machen das nicht – dürfen wir das?" Die Antwort präsentiert Bahr nach einer kurzen Pause und entschlossen: „Ja, wir dürfen!“ Die Bundesrepublik sei nach der Wende souverän und mündig. Deutschland sei endlich das friedliebende Land, dass sich die Welt immer gewünscht hat – nun sei es auch nicht recht. In diesem Punkt stellt sich der Experte eindeutig hinter Bundeskanzler Schröder. Seine Begründung: „Im Grundgesetz steht, dass sich Deutschland nie wieder an einem Angriffskrieg beteiligen darf. Und ein Krieg ohne UN-Mandat ist ein Angriffskrieg.“ Den „deutschen Weg“ – Bahr hat ihn beschrieben in seinem gleichnamigen Buch. Unserem Land schreibt er eine zentrale Funktion beim Zusammenwachsen Europas zu. Während die Vereinigten Staaten ihre militärische Macht vergrößern, liege die Stärke der EU in der Diplomatie. Bahr: „Das Recht des Stärkeren wollen wir durch die Stärke des Rechts ersetzen.“ Statt sich jedoch im Anti-Amerikanismus zu verlieren, spricht er von Arbeitsteilung untereinander. Schließlich lasse sich noch nicht sagen, wie George W. Bush seine nächste Amtszeit nutzt. „Vielleicht sucht er nun auch die Politik der Zusammenarbeit und holt sein Land aus der Isolation.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: