Potsdam-Mittelmark: Neuanfang mit alten Konflikten
Bürgermeisterin und Parlament wollen zur „Sacharbeit“ zurückkehren – Generalprobe im Oktober
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Michendorf - Wie geht es weiter in Michendorf? Nachdem der Abwahlantrag gegen Bürgermeisterin Cornelia Jung (parteilos) am Montagabend gescheitert ist – 13 Abgeordnete votierten dafür, 16 wären nötig gewesen (PNN berichteten) – wollen sich Verwaltungsspitze und Parlament um eine Rückkehr zur Sacharbeit bemühen, entsprechende Willensbekundungen wurden jetzt von beiden Seiten laut. So soll es im Oktober eine erste Zusammenkunft zwischen Bürgermeisterin und Fraktionsvorsitzenden geben. Thema wird der Haushalt 2008 – spätestens dann soll sich zeigen, wieweit die Spitzen der Großgemeinde noch zusammenarbeiten können.
Auf der Sondersitzung der Gemeindevertreter war es noch einmal hoch her gegangen: Ein TV-Team, das fast hinausgeworfen wird, persönliche Angriffe, ein Vorsitzender, der mitten in der Sitzung ein Telefongespräch führt – und ein fassungsloses Publikum. Es klatschte nur einmal Beifall, als nämlich Grünen-Abgeordneter Andree Halpap erklärte, dass die Diskussion um das Abwahlverfahren der Gemeinde mehr geschadet habe als die Versäumnisse, die der Bürgermeisterin vorgeworfen werden.
Führungsschwäche, ein fehlendes Leitbild, zu wenig Kommunikation: Das sind im Wesentlichen die Vorwürfe, die auch UWG-Fraktionschef Gerd Sommerlatte noch einmal gegen Cornelia Jung vorbrachte. Er forderte daraufhin einen Neuanfang. „Und dass sie die Gemeindevertreter und den Vorsitzenden verklagen zeigt, dass sie uns dabei den Mund verbieten wollen“, erboste er sich. Jung hatte kurz zuvor, erst beim Verwaltungsgericht und dann beim Oberverwaltungsgericht, einen Eilantrag gestellt, um die öffentliche Aussprache zur Abwahl zu verhindern, war damit aber gescheitert.
PDS-Fraktionschef Peter Pilling verwies zudem auf ihre schriftliche Begründung des Eilantrags, die ihm vorliege, und steigerte damit die Empörung der Abgeordneten: „Uns wird hier unterstellt, dass die Diskussion rechtswidrig verlaufen und dazu dienen würde, Abgeordnete zu diskriminieren.“ Marion Baltzer, Vorsitzende der CDU-Fraktion, forderte Jung auf, die Kosten für das Verfahren selbst zu bezahlen. „Nur sie hätten einen Nutzen davon gehabt, nicht die Gemeinde.“
Selbst wenn der Abwahlantrag knapp scheitern würde, sei immer noch mehr als die Hälfte der Gemeindevertreter unzufrieden, betonte Pilling vor dem entscheidenden Votum. Etwas Rückendeckung für Jung kam aus der FDP/FBL-Fraktion: „Immer, wenn wir im Ortsbeirat Unterstützung aus der Verwaltung angefordert haben, bekamen wir die auch“, bilanzierte Wildenbruchs Ortsbürgermeister Manfred Bellin. Seine Fraktion hatte eine geheime Abstimmung erwirkt. Grünen-Abgeordneter Halpap bemerkte indes, dass er die Vorwürfe gegen Jung zwar generell mittragen könne, diese aber für eine Abwahl nicht reichen. „Woanders werden Bürgermeister nur abgewählt, wenn sie in die eigene Tasche wirtschaften.“ Außerdem sei es nicht alleinige Aufgabe der Bürgermeisterin, Leitbilder zu entwickeln. „Solche Vorschläge können auch aus den Fraktionen kommen.“
Jung hat gestern angekündigt, im Dezember eine Zwischenbilanz ihrer Amtszeit vorzulegen. Außerdem werde weiter an einem Entwurf für ein Leitbild der Gemeinde gearbeitet, das wesentliche Punkte aus Investitions- und Flächennutzungsplan sowie dem Jugendarbeitskonzept enthält. Dies müsse mit den Fraktionen und den Bürgern erörtert werden.
„Ich hoffe dass die Ankündigungen der Bürgermeisterin nicht nur leere Worthülsen bleiben“, sagte der Vorsitzende der Gemeindevertretung, Hartmut Besch (FDP/FBL) gestern. Dann sei er bereit, auch selbst wieder einen Schritt auf Jung zuzugehen. Ein erneute Abwahlinitiative werde es vorerst nicht geben. Besch hatte sich im Vorfeld der Sondersitzung offen dafür ausgesprochen, das Bürgermeisteramt mit einem auswärtigen Verwaltungsfachmann neu zu besetzen.
Seine Versammlungsleitung sorgte am Montag derweil für Kopfschütteln: Zur von ihm zu erwartenden Interpretation des Stimmenergebnisses musste Besch erst gebeten werden – und polterte: „Wir sind zwar nicht auf Waldorfschule aber ich erkläre es ihnen gern nochmal: Der Antrag wurde abgelehnt.“ Zum Zweiten befremdete sein monophones Handyklingeln. Ungewöhnlich: Mitten in der Sitzung nahm er das Gespräch entgegen und ließ sich eine Minute Zeit, die Versammlungsleitung fortzusetzen.
Das südkoreanische TV-Team drehte am Montag einen Beitrag für das Staatsfernsehen. Hintergrund ist die dort geplante Änderung des Kommunalrechtes, vor allem zur Abwahl. Bürgermeisterin Jung erlaubte sich den vordemokratischen Lapsus, das Team des Saales verweisen zu wollen. Doch der zitierte Paragraph der Gemeindeordnung wollte sich nicht finden lassen – die Koreaner konnten bleiben. Die Michendorfer dürften mit dieser denkwürdigen Sitzung also für Gesprächsstoff bis nach Südkorea sorgen.
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