Potsdam-Mittelmark: Neuer Tunnel am alten Grenzstreifen verbindet West und Ost
Mauerstreifzüge als erfahrbares Geschichtserlebnis / Rund 100 Radler kamen zum ersten Test
Stand:
Mauerstreifzüge als erfahrbares Geschichtserlebnis / Rund 100 Radler kamen zum ersten Test Teltow/Berlin - „Na, wenn Sie nichts anderes zu tun haben als die Mauer rauf und runter zu fahren“, spöttelten Senatsmitglieder noch vor einigen Jahren über Michael Cramers (Bündnis 90/Grüne) „Mauerstreifzüge“. Doch der ehemalige verkehrspolitische Sprecher im Berliner Abgeordnetenhaus hielt unbeirrbar fest an der Idee, „die reizvolle Kombination von Geschichtswerkstatt und Fahrradtourismus“ entlang des ehemaligen Grenzstreifens müsse erhalten bleiben. Seinen „Mauerstreifzügen“ per Rad schlossen sich immer mehr Interessierte an, und Bürgerinitiativen aus Berlin und Brandenburg unterstützten das Vorhaben, den 160 Kilometer langen Mauerweg als „erfahrbares“ Geschichtserlebnis zu erhalten. Auch einige seiner Kritiker konnte Cramer inzwischen überzeugen. Verdienste hat sich aber vor allem der Berliner Senat erworben, der vor drei Jahren beschloss, die Strecke barrierefrei zu gestalten. Eines der sichtbaren Ergebnisse ist nun auch die Rad- und Fußgängerunterführung unter der Anhalter- und der S-Bahn südlich von Lichterfelde. Zwar fehlen noch Geländer- und Laternenmasten, aber seit drei Wochen wird der Tunnel bereits von Spaziergängern und Radfahrern genutzt. Inoffiziell eröffneten am Samstag Michael Cramer und die Umweltinitiative „Teltower Platte“ sowie die Bürgerinitiative Teltow die neue Wegeverbindung. Rund 100 Radfahrer begleiteten Cramer auf diesem jüngsten „Mauerstreifzug“, der am Samstag am S-Bahnhof Lichtenrade begann. Mit Sekt und Selters wurden sie eine Stunde später von den beiden Bürgerinitiativen vor der Tunnelunterführung begrüßt. Als schönen politischen Erfolg bezeichnete Cramer das Bauwerk auch, weil erstmals Wirtschaftsfördermittel aus der Gemeinschaftsaufgabe Ost in einen Fahrradweg geflossen seien. Denn im Senat habe man erkannt, dass Fahrradtourismus ein boomender Wirtschaftszweig sei, der weltweit Wachstumsraten von 20 bis 30 Prozent verzeichne. Erinnert wurde von den Sprechern der Bürgerinitiativen auch daran, dass diese Radverbindung zwischen dem ehemaligen Zoll- und Kolonnenweg beinahe blind überbaut worden wäre. Denn die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg hätten seinerzeit versäumt, das Wegerecht zu sichern. Als beim Planfeststellungsverfahren im Frühjahr 2001 klar wurde, dass durch den S-Bahnbau die Wegeverbindung gekappt wird, protestierten viele Bürger. Sie ließen auch nicht locker als die Vertreter des Deutschen Bahn-Projektes erklärten, dass erst ein neues Verfahren eingeleitet werden müsste, um Baurecht für eine Querung zu ermöglichen. Über 2000 Unterschriften wurden gesammelt und Abgeordnete angeschrieben. Dass die Tunnelunterführung nun auf Berliner Seite erbaut wurde, was eine Umfahrung von rund 100 Metern bedingt, nehmen alle gern in Kauf. Dem notwendigen Grunderwerb für einen Teil der Umfahrung auf Teltower Seite stimmten bereits alle Teltower Stadtverordneten auf ihrer jüngsten Sitzung zu. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: