Potsdam-Mittelmark: Noten statt Bienchen
Die Koalition wirbt für die nächste Bildungsreform – Ingo Senftleben erkundete Stimmung in Werder
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Werder - Auch das Jahr 2006 bringt in Brandenburg neue Ansätze zur Bildungspolitik: Zurzeit befindet sich mal wieder eine Novelle zum Schulgesetz auf dem Weg, die Ende des Jahres im Landtag verabschiedet werden soll. Die prägnanteste Veränderung ist das Abitur an Gymnasien nach zwölf Jahren. Ab dem übernächsten Schuljahr soll das neue Schulgesetz greifen, momentan sind Bildungspolitiker im Land unterwegs, um den Bürgern die Neuerungen zu erklären und gegebenenfalls Vorschläge zu sammeln.
So auch Ingo Senftleben, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag. Er war jüngst im Werderaner Hotel zur Insel zu Gast und diskutierte mit Eltern, Schülern und Lehrern die Vorhaben. Dafür zog er erst einmal eine Bilanz der Schülerentwicklung im Land: Kurz nach der Wende gab es 380 000 Schüler, heute 250 000. Von 430 weiterführenden Schulen 1997/1998 bleiben nur 200 erhalten. „Die Prognosen sagen, dass die Schülerzahlen bis 2011 um 60 Prozent in der Peripherie und um 30 Prozent im Berlin-nahen Raum zurückgehen werden.“ Problematisch für eine lückenlose Bildungslandschaft.
Hinzu kommen die Pisa–Ergebnisse. Die neue Bildungsreform soll bei der Qualität ansetzen: Förderung von Kindern vor der Grundschule, Sprachtests mit fünf Jahren, um gegebenenfalls zu fördern, eine striktere Durchsetzung der Schulpflicht durch die Zusammenarbeit von Jugendämtern, Schulen und Eltern sowie die Intensivierung von Lehrerfortbildung. In Grundschulen sollen ab Klasse zwei wieder Noten statt Bienchen verteilt werden, Kopfnoten gibt es ab Klasse drei – das schon ab dem nächsten Schuljahr – ein Katalog von 128 Seiten, mit dem die Koalition auf Versäumnisse reagieren will.
Kritik erntete das Vorhaben, bereits für die nächsten siebenten Klassen das zwölfjährige Abitur einzuführen. Hendrik Reinkensmeier, Direktor des Michendorfer Wolkenberg-Gymnasiums bezeichnete dies als „Schnellschuss“. „Hier wird Hals über Kopf die Schulzeit verkürzt, wo sollen wir die dafür nötigen Stunden hernehmen?“ Für die Reifeprüfung nach Klasse zwölf müssten bereits in der Siebenten 36 Unterrichtsstunden pro Woche stattfinden und nicht31, wie zurzeit. Reinkensmeier prangerte die Informationspolitik an, noch im Februar sei man von 13 Jahren ausgegangen. „Für viele Eltern wird das überraschend kommen.“
Der Koalitions-Kompromiss, den Bildungsweg nach dem 6+6-Modell zu gestalten (6 Jahre Grund-, 6 Jahre weiterführende Schule), wurde von einigen Anwesenden ebenfalls bemängelt: vier Jahre Grundschule würden reichen, so die Auffassung eines anwesenden Schülers. Daran ließe sich jedoch nicht rütteln, so Senftleben. „Wir brauchen keine erneuten Strukturdebatten, es muss über die Qualität geredet werden.“ 16 Schulversuche in 16 Jahren – auch darauf verwies der Bildungspolitiker, verlangte mehr Kontinuität im System – und traf zumindest damit auf die Zustimmung aller Anwesenden. Thomas Lähns
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