Potsdam-Mittelmark: „Ohne Dampf kein Kaffee“
Bei Gastronomen in der Region stößt der Entwurf für ein Nichtraucherschutzgesetz kaum auf Gegenliebe
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Potsdam-Mittelmark - Ab 2008 nikotinfreie Lokale? Gaststättenwirte im Potsdamer Umland sind von der Gesetzesinitiative von Brandenburgs Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler (SPD) wenig begeistert – und rechnen, wie eine PNN-Umfrage zeigt, zum Teil mit drastischen Geschäftseinbußen. „Das ist die reinste Katstrophe“, meint Christian Heinze vom Colonialcafé in Werder (Havel). Die Fußballkneipe ist erst vor einigen Wochen an einen neuen Standort umgezogen, Heinze hat erheblich investiert.
„Die Leute wollen hier feiern und Fußball gucken, sie sind aufgeregt und möchten auch mal eine rauchen.“ Etwa 90 Prozent der Gäste in seinem Bierlokal würden zum Glimmstengel greifen. Ein Stück Kneipenkultur und Arbeitsplätze würden verlorengehen, wenn sie das nicht mehr dürfen. Heinze rechnet mit Umsatzeinbußen zwischen 20 und 30 Prozent. Ihn ärgert auch, dass es in den Bundesländern zu unterschiedlichen Regelungen kommen soll. „Das ist Wettbewerbsverzerrung.“ Eine deutschlandweite Regelung für verbesserte Lüftungstechnik hätte er derweil noch begrüßt. „Dann hätte jeder selbst entscheiden können, ob er die Lüftung bezahlt oder zum Nichtraucherlokal wird.“
Auch Yves Bernharzig vom Restaurant Forelle in Wilhelmshorst rechnet mit einem Einschnitt ins Geschäft. „Es ist richtig, dass Rauchen beim Essen stört, aber darauf nehmen die Raucher doch auch Rücksicht.“ Einen getrennten Raum zu schaffen, in dem geraucht werden darf – eine Möglichkeit, die im neuen Nichtraucherschutzgesetz eingeräumt werden soll – sei bei ihm wie in vielen anderen Lokalen nicht zu machen. „Wir sind ja keine Turnhalle.“ Der Wirt ist froh, einen Biergarten mit 60 Plätzen zu haben. Für den Winter plant er, gebenenfalls einen Wintergarten anzubauen. „In Irland haben sie dafür Doppelstockbusse vor die Pubs gestellt. Die sind jetzt knallvoll – und die Pubs sind leer.“ Doch vielleicht, spekuliert Bernharzig, kommen mit einem neuen Gesetz ja auch Nichtraucher, die bislang ferngeblieben sind. „Aber das wird dauern.“
Anders sieht man es im Kavalierhaus in Caputh – ein Ort der gehobenen Gastronomie. „Das politische Hickhack ist zwar ärgerlich, aber ein Rauchverbot wäre für uns eher kein Problem“, sagt Geschäftsführerin Kerstin Wendland. Aschenbecher würden jetzt schon nur auf Verlangen an den Tisch gebracht. Besonders rücksichtsvolle Kunden würden draußen rauchen, rechtliche Klarheit sei für alle Beteiligten hilfreich. So sieht man es auch in der Lindenschenke in Elsholz, wo gerade die Spargelsaison beginnt. „Wir leben hier von Touristenbussen und Familienfeiern, da fragen Raucher doch sowieso schon, ob es stört“, sagt Inhaber Lutz Bastian. Dass auf der anderen Seite Dorfkneipen und Vereinslokale geschädigt werden, ist den beiden Gastronomen allerdings klar.
Im Hotel- und Gaststättenverband Brandenburg hofft man deshalb noch auf eine Entschärfung der Regeln – und setzt auf Rückendeckung aus dem Kabinett. Zieglers Vorstoß ist dort nicht unumstritten. Hoga-Geschäftsführer Uwe Strunk macht sich Hoffnungen, dass der Gesetzentwurf geändert wird. „Das ist ja nicht nur ein gesundheitspolitisches, sondern auch ein wirtschaftspolitisches Thema.“ Strunk strebt eine „praxisorientierte Lösung“ an. Etwa 600 der 2000 gastronomischen Betriebe im Land seien durch ein Rauchverbot in ihrer Existenz bedroht.
So fürchtet man im Schwälbchen in Ferch weniger um Ausflügler, die die gute Küche schätzen, als um die abendliche Stammkundschaft aus dem Ort, wie Inhaberin Silvia Plönnigs erklärt. Und anders als durch das Gesetz angestrebt, würde zumindest ihre Belegschaft zum Opfer eines Rauchverbots. „Bei uns raucht alles, ohne Dampf kein Kaffee.“ Auch im Restaurant Zur Alten Weberei in Werder wird die Gesetzesinitiative der Gesundheitsministerin als Bedrohung empfunden. „Die Leute spielen Dart und Billard, trinken Bier und rauchen“, sagt Inhaber Jürgen Koch. Wie Vereinsfeiern ohne Zigaretten aussehen, vermag er sich nicht vorzustellen. Das Argument des Gesundheitsschutzes für die Angestellten greift auch für ihn nicht. „Ich bin nicht Kellner geworden, weil ich Nichtraucher bin.“ Immerhin habe er die Möglichkeit, eine separaten Raucherraum anzubieten – er würde es lieber für Nichtraucher tun.Henry Klix
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