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Versicherungsbetrug: Prozess gegen Zahnarzt

Finger ab: Ein Fichtenwalder Mediziner soll sich verstümmelt haben. Er hatte im März 2012 einen brutalen Überfall auf seine Praxis gemeldet. Ab Dienstag steht der Zahnarzt nun selbst vor Gericht.

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Fichtenwalde - Es sollte wie ein Überfall aussehen, bei dem zwei Kriminelle Markus B. mit einer Gartenschere den linken Finger abgeschnitten haben. Doch jetzt steht der Fichtenwalder Zahnarzt ab Dienstag selbst vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Vortäuschen einer Straftat und versuchten Betrug vor. Es ist nicht das erste Mal in Brandenburg, dass Mediziner damit Schlagzeilen machten.

Es war ein Montag, Ende März 2012, als sich Markus B. mit notdürftig verbundener, blutender Hand von seiner Praxis zu einem nahegelegenen Supermarkt schleppte und dort zusammenbrach. Er musste notoperiert werden. Der Finger aber war nicht mehr zu retten, die Täter sollen ihn mitgenommen haben. Der Polizei erzählte der Zahnarzt von einem Überfall. Demnach war er an diesem Montagnachmittag allein in seiner Praxis am Fichtenwalder Marktplatz und wollte gerade gehen, als ihm im Treppenhaus zwei Männer entgegenkamen und ihn zurück in die Praxis drängten. Dort hätten sie Geld, Gold und Medikamente gefordert. Er habe ihnen 50 Euro gegeben. Dennoch hätten die Männer, die B. als Ausländer beschrieb, ihre Drohung wahrgemacht und ihm den linken Zeigefinger abgeschnitten. Dann seien sie mit dem Finger geflohen. Die Polizei leitete damals eine Großfahndung ein, die aber erfolglos blieb, ebenso der Einsatz von Spürhunden, um den abgeschnittenen Finger zu finden.

Die Ermittler waren von Beginn an misstrauisch. Sie hatten starke Zweifel an der Darstellung des Zahnarztes, zumal bei Zahnärzten in der Regel nicht viel Bargeld außer der damals noch erhobenen Praxisgebühr zu holen sei. Und Zahngold würde in der Regel eher in Laboren aufbewahrt. Auch die Brutalität der Tat machte die Beamten stutzig. Möglicherweise gehe es auch um Erpressung oder Versicherungsbetrug, hieß es gleich zu Beginn der Ermittlungen. Dennoch gingen die Beamten auch vom geschilderten Tathergang aus. Auf Grundlage von B.s Äußerungen fertigten die Spezialisten sogar zwei Phantombilder an, eines von einem Tatverdächtigen, das andere von dessen schlechtem Gebiss. Das wirkte glaubwürdig, weil sich B. besonders an die schlechten Zähne erinnerte und sie detailliert beschreiben konnten. Doch die Ermittler stießen im Zuge des Verfahrens auf immer mehr Widersprüche und kamen zu dem Ergebnis, dass es den Überfall nie gegeben hat.

Gegen Berichte der PNN über den anfänglichen Verdacht der Ermittler, dass es sich auch um Versicherungsbetrug handeln könnte, ging B. übrigens rigoros vor und klagte auf eine Entschädigung von mehreren Tausend Euro. Das Landgericht Berlin sah aber keinen Ansatz für eine schwerwiegende Verletzung seines Persönlichkeitsrechts – auch weil die Staatsanwaltschaft schließlich Anklage erhob. Demnach soll der Zahnarzt geplant haben, mit der vorgetäuschten Straftat seine Versicherung zu betrügen. Er soll sich selbst verstümmelt haben, um Geld zu kassieren. Es geht um insgesamt 850 000 Euro. Wäre bei ihm als Zahnarzt ohne linken Zeigefinger Invalidität festgestellt worden, hätten ihm 600 000 Euro zugestanden. Zudem hätte er weitere 250 000 Euro von der Versicherung bekommen, falls nachgewiesen worden wäre, dass er den Finger bei einem Raubüberfall verloren hätte. Bei einer Verurteilung drohen B. Geldstrafen oder bis zu mehrere Jahre Haft – und der Verlust der Zahnarztzulassung.

Ein ähnlicher Fall machte bereits vor einigen Jahren Schlagzeilen. Ein 55-jähriger Chirurg aus Gransee bekam in den Medien den Namen „Dr. Siebenfinger“ verpasst. Er behauptete, im Jahr 2011 habe er beim Holzsägen drei Finger verloren. Ein Unfall, wie er beteuerte: Ein Hornissenschwarm habe ihn erschreckt, die Kettensäge sei auf seine linke Hand gerutscht – und ab waren Mittel-, Ring- und kleiner Finger. Für seine Hände hatte der Chirurg insgesamt fünf Versicherungen abgeschlossen. Die forderte er auch ein: Es ging um Prämien in Höhe von rund 1,7 Millionen Euro und eine monatliche Rente von 6000 Euro. Die Versicherungen glaubten dem Mann aber nicht und gingen von Selbstverstümmelung und Betrug aus. Es gab mehrere Zivilprozesse um die Auszahlung des Geldes. Gutachter kamen damals zu dem Schluss, dass die Schnitte zu glatt für Verletzungen durch eine Kettensäge sind.

Durch diese Verfahren wurde die Staatsanwaltschaft Neuruppin auf den Fall aufmerksam und klagte den Chirurgen wegen Betrug in einem besonders schweren Fall an. Der Prozess vor dem Amtsgericht Zehdenick (Oberhavel) endete jedoch mit einem Freispruch. Im Zweifel für den Angeklagten, hieß es damals. Der Grund: Die Gutachter glaubten zwar nicht an einen Unfall mit einer Kettensäge, konnten dies aber auch nicht ausschließen. Das Geld der Versicherungen bekam er trotzdem nicht, weil der eindeutige Beweis für einen Unfall fehlte. Die Prozesse gegen die Assekuranzen verlor „Dr. Siebenfinger“. Alexander Fröhlich

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