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DasWAR“S: Public viewing bei Lidl

Warum Peter Könnicke nicht nicht über Fußball schreiben kann

Stand:

Nein, ich will jetzt nicht über Fußball schreiben. Dieser Platz ist eine WM-freie Zone. Obwohl es ein Leichtes wäre. Selbst meine Oma spricht darüber. Sie ist 86. Als ich sie am Freitag vor dem WM-Eröffnungsspiel besucht habe, gab es Kaffee, Rhabarberkuchen und Fußball. Eine ganze Stunde haben wir uns über Fußball unterhalten. Über Ballack und dass es früher Wadenwickel gab, wenn es uns nicht gut ging. Am Dienstag hat Oma sogar Ukraine gegen Spanien geguckt. Bis „Julia. Wege zum Glück“ kam. Da hat sie umgeschalten.

Ich könnte auch darüber schreiben, dass ich keinesfalls verwundert bin, wie fröhlich und unbeschwert die Deutschen sein können. Schon Wochen vor der WM haben wir uns weltoffen gezeigt, indem wir widerspruchslos den Begriff der „public viewing area“ in unseren germanischen Sprachwortschatz aufgenommen haben. Würde ja auch bieder klingen, wenn ich mich abends verabschiede: „Ich geh jetzt zur öffentlichen Guck-Anstalt“ und dann bei Lidl bis 22 Uhr in der Getränkeabteilung Fußball gucke. Nee, public viewing ist schon geil.

Mit dem aufkommenden Wir-Gefühl hab ich allerdings Probleme. Am Mittwoch hab ich vor dem Deutschland-Spiel einen jungen Mann gesehen, der in die Büsche pinkelte und danach mit hochgereckten Armen und „Deutschlaaaand, Deutschlaaand“ grölend über die Straße lief. Hätte er mal zu Hause noch alles erledigt oder sich wenigstens konzentriert, statt von Euphorie gehetzt nur ein halbes Geschäft zu machen. So aber bildete sich an eindeutiger Stelle seiner Hose ein feuchter Fleck, während er „Deutschlaaand“ schrie. Mit diesem Wir-Gefühl möchte ich bitte nichts zu tun haben. Auch wird mir ein bisschen Angst: Wo soll das hinführen, wenn wir uns schon bei einem Vorrundenspiel in die Hose machen? Zum kollektiven Einpullern in der public viewing area? Dann wünsche ich mir lieber ganz doll Angola und Trinidad im Endspiel.

Ich könnte mich auch damit auseindersetzen, ob Lukas Podolski ein Schläfer ist. Es gab ja Sorge, dass unser Nationalspieler mit polnischen Wurzeln im Spiel gegen Polen durch einen Pfiff von der polnischen Trainerbank aktiviert wird und ins deutsche Tor schießt. Jetzt hat sich herausgestellt, dass der polnische Trainer gar nicht pfeifen kann. Auch die These, Monika Lierhaus sei als Fußball-Moderatorin genauso gut geeignet wie ein männlicher Vertreter für Avon-Kosmetik könnte hier diskutiert werden. Ich würde es in der Tat ablehnen, wenn mir ein Mann Avon-Lotion anbietet. Aber wenn Frau Lierhaus vor meiner Tür steht, um mir einen Fußball zu verkaufen, würde ich ihn nehmen.

Ich will all dies nicht vertiefen. Aber für andere Dinge ist jetzt leider auch kein Platz mehr.

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