Potsdam-Mittelmark: Radikale Reformen angemahnt
Friedrich Merz zu Gast in Werder: Auch CDU muss zu Hartz IV stehen
Stand:
Friedrich Merz zu Gast in Werder: Auch CDU muss zu Hartz IV stehen Werder - Erwartet wurde er wie ein Star. Unruhig saßen die zirka 200 Gäste am Donnerstagabend im Hotel zur Insel, dichtgedrängt und voller Neugier auf den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Friedrich Merz. Und als der mit einer dreiviertel Stunde Verspätung eintraf - in Geltow drängten sich derweil nämlich die Autos in einem Stau auf der B1 - wurde er auch gebührend begrüßt: Tosender Applaus schlug dem Bundespolitiker entgegen. „Endlich mal ein Mann, der größer ist als ich“, scherzte die hiesige CDU-Landtagskandidatin Saskia Funck. „Mit Merz auf Augenhöhe“ sollte ihrer Ankündigung nach auch das Motto des Abends werden. Funck berichtete erst einmal über die jüngsten Triumphe der mittelmärkischen Union: Mehrheit bei der Kommunalwahl, Mehrheit bei der Europawahl - und das, obwohl in Belzig auch unbequeme Entscheidungen von ihrer Partei gefällt worden seien. „Die Leute fordern schnelle und radikale Reformen“, gab sie sich überzeugt. Nur so könnten Perspektiven geschaffen werden. Sie zitierte ihren Nebenmann: Das Steuersystem müsse so weit vereinfacht werden, bis jedermanns Steuererklärung auf einen Bierdeckel passt. Eines der vordringlichsten Ziele sei der Bürokratieabbau. Das Gros an Gesetzen und Verordnungen würde nach wie vor Investitionen hemmen. Funck verwies auf das Beispiel Niedersachsen, wo Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) nach seinem Amtsantritt erst einmal 620 Gesetze abgeschafft habe. „Und das Land steht noch.“ Sie hatte eine weitere These für die Gäste parat: „Wo die CDU regiert, geht es den Menschen gut." Das sei auch in Werder so. Anders sehe dies jedoch bei der rot-grünen Bundesregierung aus. „Maut-Desaster, Dosenpfand, missglückte Steuerreform - eine lange Liste von Fehlentscheidungen einer chaotischen Regierung“, urteilte die Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche. Sie gab Merz einige Steilvorlagen für sein Referat. Im Galopp ging es mit ihm dann über die Felder der großen Politik: Von der Beschäftigungs- und Strukturkrise über die Zunahme der Schattenwirtschaft, der Zuwanderung in die Sozialsysteme bei gleichzeitiger Abwanderung geistiger Eliten bis hin zur CDU-internen Diskussion zur Ausgliederung der Krankenversicherung aus den Lohnnebenkosten. „Wir müssen in der Politik auch wieder längere Linien klar werden lassen", so Merz. Er unterstrich bei dieser Gelegenheit, dass auch seine Partei zur umstrittenen Hartz-IV-Reform der Bundesregierung stehen müsse, da sie dem Gesetz zugestimmt habe. Die Arbeitslosenhilfe sei ursprünglich als Hilfe zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt gedacht gewesen, nicht als Zahlung bis zur Rente. „Es hat keinen Sinn, zwei Fördersysteme nebeneinander laufen zu lassen“, argumentierte er. Ein weiteres Anliegen sei es, dass sich die reguläre Arbeit wieder lohnt. 380 Milliarden Euro würden jährlich durch Schwarzarbeit erwirtschaftet. „Die Leute basteln sich ihren eigenen Kombilohn aus Sozialhilfe und Schwarzarbeit. In Westdeutschland gibt es bereits Sozialhilfe-Karrieren in der dritten Generation.“ Mit ironischen Bemerkungen zum gegnerischen, rot-grünen Lager und mit seinen Argumentationen für die eigene Linie erntete Friedrich Merz viel Beifall in Werder: Ein Heimspiel im „Hotel zur Insel“. Thomas Lähns
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: