Potsdam-Mittelmark: Ratlos auch am nächsten Tag
Reaktionen auf Abwasser-Eklat beim „Mittelgraben“ / Erste Stimmen stellen Zweckverband in Frage
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Reaktionen auf Abwasser-Eklat beim „Mittelgraben“ / Erste Stimmen stellen Zweckverband in Frage Michendorf - Fast hätte das Michendorfer Gemeindezentrum „Zum Apfelbaum“ seine erste Saalschlacht erlebt. Sehr viel hatte am Mittwochabend jedenfalls nicht mehr gefehlt, als die Nuthetaler Abgeordneten in der Verbandsversammlung des WAZV „Mittelgraben“ wider Erwarten den Zwangsanschluss der Orte Stücken und Fresdorf besiegelten. Das heißt: Sie stimmten gegen die Herausnahme der beiden Dörfer aus dem Generalentwässerungsplan, führten so das befürchtete Patt herbei (PNN berichteten) und ließen damit den Antrag auf Anschlussfreiheit doch noch abblitzen. Die über 150 anwesenden Bürger riss es von den Stühlen, sie feuerten eine über 15-minütige Schimpfkanonade auf die Nuthetaler Vertreter und die Mitarbeiter der Mittelmärkischen Wasser- und Abwasser GmbH (mwa) ab. In Stadionlautstärke machten die Betroffenen ihrem Ärger Luft, Vergleiche zur DDR wurden dabei ebenso häufig geäußert wie der Vorwurf, gegen das Prinzip der Demokratie zu verstoßen. „Buh“-Rufe und „Schiebung“ prasselten im Sekunden-Takt auf das Podium hernieder, einer forderte, die Polizei zu rufen. Aber als die Tirade endlich abebbte, war schon keiner der Anschlussbefürworter mehr im Raum. Die Versammlung war geschlossen, das Urteil gefällt. Dabei sollte die Abstimmung am Mittwochabend nur noch reine Formsache sein, denn immerhin hatte die Gemeindevertretung Nuthetal es dem Michendorfer Parlament gleich getan, und ihre Abgeordneten in einer Sondersitzung am Dienstag darauf eingeschworen, für die Herausnahme von Stücken und Fresdorf aus dem Generalentwässerungsplan (GEP) zu stimmen. Allerdings, so argumentierte Nuthetals Bürgermeister Gerhard Ling (CDU) nun, habe es keinen Bindungsbeschluss gegeben. Üblicherweise werden die Verbands-Abgeordneten damit an das Votum der Gemeindevertretung gebunden. Die Beschlussvorlage am Dienstag war „andersherum“ formuliert: Sie sah vor, dass die Abgeordneten gegen die Herausnahme aus dem GEP, also für den Anschluss, stimmen sollten, was entsprechend dem Bürgerwillen vom Nuthetaler Ortsparlament abgelehnt wurde. Durch diese Hintertür war man also nach Michendorf gekommen. Doch auch in diesen Fall hatten die Bürger noch Hoffnungen: Rudolf Bauer (SPD), Gemeinde- und Verbandsvertreter aus Saarmund, hatte am Dienstagabend einmal mehr angekündigt, er werde keinesfalls dem Zwangsanschluss zustimmen. Bauer hatte in der Vergangenheit immer wieder eine verlässliche Wirtschaftlichkeitsrechnung von der mwa gefordert. Durch seine abweichende Stimme wären die anderen aus Nuthetal ungültig geworden, das Patt wäre ausgeblieben. Am Mittwochabend war Bauer jedoch nicht anwesend, er ließ sich von Kurt Kühne (SPD) vertreten. Dieser hatte sich am Vorabend wie die drei anderen Verbandsvertreter für den Zwangsanschluss ausgesprochen. Und so entlud sich der geballte Zorn der Stückener und Fresdorfer mit besonderer Intensität. Während an einem Ende des Saales noch geschimpft wurde, arbeitete man am anderen bereits an Gegenstrategien. Michendorfs Bürgermeisterin Cornelia Jung stimmte sich mit ihren Ortsbürgermeistern Udo Reich und Karl-Heinz Schmidt ab und verkündete: „Wir werden eine Anfrage bei der Kommunalaufsicht stellen.“ Formal sei das Verhalten der Nuthetaler wohl stichfest gewesen, trotzdem könne der Beschluss der Gemeindevertretung Nuthetal auch anders gewertet werden. Der Michendorfer Gemeindevertreter Andree Halpap (Grüne) geht noch weiter: In einer Presseerklärung stellte er gestern den gemeinsamen Zweckverband in Frage. „Wenn die Gemeinde Nuthetal nicht bereit ist, die politischen Entscheidungen der Gemeinde Michendorf zumindest zu akzeptieren, dann gehört dieser Zweckverband auf den Prüfstand.“ Halpap wirft einmal mehr das Argument in die Waagschale, dass der zentrale Anschluss für den Verband „nur Nachteile haben würde“. Er begründet das mit den hohen Investitionskosten, die durch die Beiträge der Stückener und Fresdorfer nicht zu decken seien und damit von allen WAZV-Kunden zu tragen wären. Michael Wenzel, Sprecher der Fresdorfer Bürgerinitiative, hofft indes auf eine neue Abstimmungsrunde, denn der Generalentwässerungsplan müsse noch einmal als Gesamtpaket in der Verbandsversammlung verabschiedet werden. Bis dahin soll die Öffentlichkeit noch einmal mobilisiert werden. „Wir fühlen uns gelinkt – und das können sie ruhig mit ,g“ schreiben“, sagte er. Einige Stimmen forderten, Anwälte einzuschalten, und den Anti-Korruptionsausschuss des Bundestages. Andere waren auch am nächsten Tag noch ratlos: „Was läuft hinter den Kulissen des WAZV und der mwa, welche Vorteile haben die Nuthetaler Vertreter und welche Pfründe wurden dadurch gewahrt?“, fragte Dagmar Sartorius von der Stückener Initiative. Überraschend kam übrigens das Einlenken der Nuthetaler Abgeordneten in Sachen Anschluss Wildenbruch-Bergheide. Die Michendorfer Abgeordneten hatten eine Vertagung dieses Punktes beantragt, bis die Wirtschaftlichkeit einer „abwasserseitigen Erschließung“ des Ortsteils erwiesen ist, und dem war man nachgekommen. Aber das war noch kurz vor dem Eklat. Thomas Lähns
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