Potsdam-Mittelmark: Realität statt Wunder
Vor zehn Jahren begann sich der Grenzkontrollpunkt Dreilinden in den Europarc zu verwandeln. Der entwickelt sich langsamer als erhofft. Aber er wächst.
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Vor zehn Jahren begann sich der Grenzkontrollpunkt Dreilinden in den Europarc zu verwandeln. Der entwickelt sich langsamer als erhofft. Aber er wächst. Von Peter Könnicke Kleinmachnow. Die Geschichte des Ortes ist reich an Metaphern. Was einst Symbol der Trennung war, wird ein Zeichen der Einheit, visionierte einmal Berlins Ex-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth. Die Frage „Berlin oder Brandenburg?“ erfährt hier die diplomatische Antwort: Beides! Und mit dem verbalen Zeitraffer „Von der Besatzungszone zur Gewinnzone“ beschreiben die Marketingstrategen den Wandel an der einstigen Transitstrecke nach West-Berlin. Heute heißt die Straße A 115, die frühere Grenzübergangsstelle Drewitz/Dreilinden nennt sich Europarc und ein zurückgebliebener Wachturm ist ein Denkmal. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren – am 1. Dezember 1993 – rammte Brandenburgs damaliger Landesvater Manfred Stolpe eine Spitzhacke in den Beton des ausgedienten Checkpoint Bravo, wie die Grenzstation bei den Amerikanern hieß. Stolpes handwerklicher Akt galt als Startschuss für das Vorhaben der französischen Privatbank Société Générale und des Thyssen-Konzerns, an historischer Stätte einen Büro- und Gewerbepark zu entwickeln. Die Dimensionen klangen imposant: Auf dem 45 Hektar großen Areal sollen 200 000 Quadratmeter bebaut und 500 Millionen Euro investiert werden und 6000 Arbeitsplätze entstehen – ohne staatliche Finanzspritzen. Nach einem Jahrzehnt leuchten vier bunte Buchstaben über dem Europarc, die auf “zig Millionen Computerbildschirmen dieser Welt ein vertrauter Anblick sind: Mit eBay zog vor zweieinhalb Jahren ein „global player“ in den Europarc. Das weltweit größte Internet-Auktionshändler hat für seine Europa-Zentrale in Kleinmachnow bislang 600 Arbeitsplätze geschaffen und als Magnet dem Gewerbepark etliche Sub-Unternehmen beschert. Mit seinem halbrunden Glaspalast hat eBay architektonische Maßstäbe für den Europarc gesetzt. Der Firmenname auf dem fünfstöckigem Bürohaus ist das beste Aushängeschild, das der Technologie- und Businessparks gewinnen konnte. Dem ersten Mieter, der Movie-Car GmbH, folgten bislang 53 weitere Firmen an der A 115. Vor allem Unternehmen aus der Technologie- und Servicebranche sowie aus den Forschungsbereich bestimmen das Klientel und ließen bislang 1000 Arbeitsplätze entstehen. 110 Millionen Euro sind seit 1993 in den Europarc geflossen, hinter dem die Société Générale inzwischen als alleiniger Gesellschafter steht. Von Rückschlägen sind die Investoren aus Frankreich indes nicht verschont geblieben. Die Idee eines Multiplex-Kinos mit einem Dutzend Sälen, Restaurants und Cafés fand kein happy end. Der amerikanische Veranstaltungs-Multi Time Warner stand bereits in den Startlöchern, um den Europarc zum Mekka der Freizeit und Unterhaltung zu machen. Doch das Vorhaben scheiterte an einer Klage der Stadt Potsdam, die um ihre eigenen Pläne für ein Multiplex-Kino und um ihre Attraktivität als Landesmetropole fürchtete. Nach dreijährigem Disput, in dem Potsdam per einstweiliger Verfügung den Baustart des Freizeittempels verhinderte, wurden die Pläne vor drei Jahren aufgegeben. Der Geduldsfaden des Investors war gerissen, der Zeitpunkt für einen Gerichtsentscheid nicht abzusehen. Auch die Ansiedlung des US-Konzerns General Electric im Vorjahr ist missglückt. Der Ärger über das vermeintlich fehlende Engagement der Landesregierung, um das Unternehmen nach Dreilinden zu holen, ist im Europarc noch immer nicht verflogen. „Das ist völlig schief gelaufen“, beklagt Marketingchefin Katrin Albern noch immer. Anstatt den „roten Teppich“ auszurollen, wurden die interessierten Investoren vom Wirtschaftsministerium „ständig vertröstet“. Heute sitzt die Dependance von General Electric in München, Bayerns Ministerpräsident Stoiber hatte persönlich mit den Investoren gesprochen. Ohnehin scheint sich die für Wirtschaftsförderung zuständige Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB) schwer zu tun, Ansiedlungen im Europarc zu unterstützen. Von „Nichtberücksichtigung“ bis „Abwerbung von Kunden“ spricht Albern. Inzwischen arbeitet die Europarc Gesellschaft mit einem eigenen Spezialisten für Wirtschaftsförderung, der interessierte Mieter und Investoren über Hilfen bei einer Ansiedlung berät. Dass der Park nicht in dem Tempo gewachsen ist, wie es sich seine Gründer vor zehn erhofft haben, ist unschwer zu leugnen. Die Wirtschaftsflaute, die sich in dem Gewerbepark auf tausenden Quadratmeter unbebauter Fläche ausdrückt, wird zwar geschickt durch landschaftliche Gestaltung kaschiert und die glatten Asphaltstraßen werden vor allem an Wochenenden von Skatern und Spaziergängern belebt. Doch ein Wirtschaftswunder hat es in Dreilinden nicht gegeben – bislang, die Realität hat auch am einstigen Grenzkontrollpunkt nicht Halt gemacht. Das Ziel, bis zum Jahr 2007 im Europarc 6000 Arbeitsplätzen zu schaffen, hat Société Général-Immobilienmanager Lucien Triponel um einige Jahre verschoben. Dass sich einem dennoch nicht das Bild einer Geisterstadt bietet, liegt an der Strategie der Europarc Gesellschaft: Es wird auf Bestellung gebaut. Die bestehenden Hallen und Büros sind zu 80 Prozent ausgelastet. Zum anderen ist die Sicherung des Bestandes ein Gebot der Zeit. „Wir sehen unseren Mietern beim Wachsen zu, reagieren aber auch auf ihre Nöte, um sie hier zu halten“, sagt Albern. Bei den Mietern kommt diese Fürsorge und der Qualitätsanspruch an: „Der Europarc überzeugt durch technische und räumliche Möglichkeiten ganz nach unseren Vorstellungen – auch für künftige Veränderungen“, lobt eBay-Geschäftsführer Jörg Rheinboldt. Die Zahl der Unternehmen, die den Europarc verlassen, „kann man an einer Hand abzählen“, meint Albern. Vielmehr „gibt es jede Menge Anfragen“. Nur passen ein Tierfriedhof, eine Fleischereigroßhandel oder eine Intimsauna nicht ins anspruchsvolle Konzept. Auch Logistikunternehmen, die durch den eigenen Autobahnanschluss des Europarcs in Dreilinden einen idealen Standort sehen, haben keine guten Chancen. „Dafür ist die Struktur des Parks nicht ausgelegt“, begründet Albern. Auch mit Rücksicht auf die vorhandenen Mieter soll der Europarc kein Umschlagplatz für Lkw-Transporter werden. Vielmehr vertraut die Marketingchefin auf das bisherige Konzept. Für 3000 Quadratmeter eines Gewerbehofes mit Hallen-, Büro- und Ausstellungsflächen am Rand des Europarcs gibt es einen ernsthaften Interessenten. Auch der Chip-Hersteller „Intel“ zeigte für mehrere tausend Quadratmeter Bürofläche Interesse am Europarc. Das Kapitel sei noch nicht abgeschlossen – mit welcher Metapher es einmal beschrieben wird, ist noch offen.
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