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KulTOUR: „Schatz, ich werde Prinz!“

Gelungener Auftakt des Literatur-Cafés im Michendorfer Apfelbaum: Annette Bokpê mit ihrem Afrika-Buch „Der Kuss des Voodoo“

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Michendorf - Was Großmutter Akouavi einst der weißen Frau Annette über Maurice gesagt hatte, war nichts weniger als ein Orakel: „Dein Mann wird irgendwann begreifen, wo seine Wurzeln sind. Er braucht dich für diesen Weg. Er hat eine Aufgabe.“ Maurice stammt aus dem westafrikanischen Benin, studierte in der DDR Verkehrswesen. Beide lernten sich 1986 auf einer Zugfahrt zwischen Erfurt und Berlin kennen, was symbolischer gar nicht sein konnte: Nach ihrer Trennung 2002 schrieb Annette Bokpê ihren Erfahrungsbericht „Der Kuss des Voodoo“ als Lebensreise auf.

Ein Glücksgriff für das erste „Literatur-Café“ im Michendorfer Haus „Zum Apfelbaum“, denn was man am Sonntagnachmittag bei Kaffee und Kuchen über Land und Leute, über den wahren Zauber Afrikas aus ihrem Munde erfuhr, das war schon allerhand. Liebe und Verlobung in der DDR, 1988 zog sie ihm mit ihrer ersten Tochter nach Westberlin hinterher, wo niemand sie wollte. Ein Jahr später wurde das zweite Kind geboren, er fuhr Taxi, sie baute ein Tourismus-Unternehmen gen Benin auf. Bei ihrer ersten Fahrt dorthin nahm sie der „Afrika-Bazillus“ gefangen, der Geruch, das scheinbar unbeschwerte Lachen in den Gesichtern. Maurice aber bekam zum zweiten Mal den Fluch seines Onkels zu spüren, ein Voodoo-Geist setzte ihn zu ihrem Entsetzen völlig außer Gefecht, das frühere Dahomey gilt ja als Wiege dieses 4000-jährigen „Naturkultes“. Erst die Sekte der „Himmlischen Christen“ konnte helfen.

Sie wusste nicht, dass sie in eine alte Priesterfamilie eingeheiratet hatte. Benin ist zwar ein Staat, besteht aber aus mehreren Königreichen, die von Hohepriestern des Voodoo kontrolliert werden. Wohin das Paar in dem telefonisch kaum erschlossenen Land auch kam, standen schon zwei Gedecke für sie bereit, ihre Schwiegermutter kannte sich – unbekannterweise – auch gut in der Familie der Deutschen aus: „Unsere Art zu telefonieren!“

Wieder in Berlin, kam Maurice eines Tages strahlend nach Hause. „Schatz, ich werde Prinz des Königreiches von Allada!“ Gut fürs Tourismusunternehmen, dachte sie, „ich als Prinzessin“, und machte alles mit, doch als es dann ernst wurde und er mit einer blutigen Opfer-Zeremonie initiiert wurde, begriff sie, dass nun alles anders kommen sollte.

Sie liebte ihn noch, doch er war durch den Voodoo nicht mehr derselbe. Das Orakel begann sich zu erfüllen. Als er dann tatsächlich seine Wurzeln erkannte und sich der Polygamie zuwandte, trennte man sich, denn Annette Bokpê wollte nicht seine erste Frau sein, sondern die Einzige.

Seit 2002 Benins Honorar-Konsul für Deutschland, hat er seiner ungeschiedenen Gattin ein lesenswertes Nachwort geschrieben, darin er Voodoo als „die wahre Schule des Lebens“ preist, als Weg der Erkenntnis zu Gott. Wie er sein Schicksal angenommen hat, so seine Prinzessin das ihre. Auch die gemeinsamen Töchter gehen getrennte Wege, eine zieht es nach Afrika hin, die andere beharrt auf ihrer deutschen Identität.

Die Geschichte scheint also nicht zu Ende zu sein, erst recht nicht, als man erfuhr, dass der Voodoo-Zauber nicht nur das bisherige Leben dieser eloquenten Frau verändert hatte, sondern auch weiterhin wirkt. Seine Geister kamen offenbar doch über das Wasser bis nach Djamma, das ist Deutschland in der Sprache der Fon

Bücher müssen eben nicht unbedingt druckfrisch sein, wenn man damit eine gute Veranstaltung macht. Das Literatur-Café ist eine Empfehlung wert.

Am 4. März um 15 Uhr führen Künstler der Komischen Oper Berlin im „Apfelbaum“ mit italienischem Belcanto durch Renaissance, Barock und die Welt der Operette.

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