KulTOUR: Schinkel in Polen: Alles ist aufbereitet
Neue Ausstellung im Schloss Caputh beleuchtet ein bisher verborgen gebliebenes Thema
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Schwielowsee · Caputh - Ab sofort kann man im Seitenflügel des Caputher Schlosses erfahren, was Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) einstmals östlich der Oder erschuf. Immerhin befinden sich 49 seiner 170 erhaltenen Bauten im heutigen Polen. Der renommierte Architektur-Fotograf Hillert Ibbeken hat drei seiner Lebensjahre als pensionierter Geologe genutzt, um dieses – der Fachrezeption bislang verborgen gebliebene – Erbe zu erkunden und fotografisch zu dokumentieren.
Eine Auswahl von dreißig dieser Schwarz-Weiß-Arbeiten im Format 50 mal 60 zeigt das Kulturforum Schwielowsee anlässlich des 225. Todestages von Schinkel in Kooperation mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten nun in Caputh. Sie ergänzen die beiden zeitgleich laufenden Ausstellungen in der Orangerie und im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte sicherlich auf wundersame Weise.
Im eigenen Auftrag, aber auf viel besseren Straßen, vollzog Ibbeken die Dienstreise des „bedeutendsten deutschen Architekten des 19. Jahrhunderts“ von 1834 nach. Sie führte ihn von Berlin via Posen bis nach Ostpreußen, von Pommern bis nach Schlesien. Er bewältigte zwar dreimal so viele Meilen wie sein Vorgänger, bekam aber, klar, keinerlei Reisekosten aus irgendeiner Staatskasse erstattet. Dafür hatte er ein Empfehlungsschreiben der polnischen Botschaft dabei, das ihm manchen Ärger ersparte, denn mehrmals geschah es, dass ein katholischer Priester ihm das Fotografieren eines Kirchbaus verweigerte. Warum, ist bis heute nicht klar. Viel Respekt vor dem amtlichen Papier wie ehemals bei den Preußen, die Blende war offen – und einen „vollendeten Handkuss“ für die begleitende Ehefrau gab es dann auch noch dazu.
Um sämtliche Schinkel-Bauten wie Kirchen, Schlösser, Herrenhäuser und Zweckgebäude vor Ort zu erfassen, verwendete der Autor eine 35 Kilogramm- Balgkamera der Marke „Linhof Kardan Bi“. Er fotografierte, wie er die Objekte vorfand, bei Niesel, im Regen, bei Sonnenschein, Innenaufnahmen wurden bis zu zehn Minuten belichtet. So steht der Betrachter mit Staunen vor einem vollendeten Bildwerk, darin es keine optischen Verzerrungen gibt. Die Proportionen stimmen, sein Blick wird wie von selbst auf das Wesentliche gelenkt. Kurze Erklärungen von des Autors eigener Hand ergänzen die einzelnen Exponate, Schautafeln geben weitere Informationen.
„Alles ist aufbereitet, Sie brauchen nur noch hinzufahren!“, sagte Ibbeken in seiner humorvollen Einführungsrede. Alles? Der russische Teil des ehemaligen Ostpreußen bleibt auch weiterhin eine architekturgeschichtliche Terra incognita, denn eine Reise dorthin hat sich Ibbeken „nicht antun“ wollen.
Glücklich aber, wer den Geist vom Ganzen begreift, wenn die Konjunktur erst vorbei ist. Dann beginnt ja die eigentliche Schatzsuche: Mit einer Ausnahme baute Schinkel im heutigen Polen ausschließlich evangelische Kirchen, doch alle werden heute mit frischem Putz katholisch genutzt. Wie ging das zu? Wünschenswert wäre , wenn der Autor seine Erlebnisse und Gedanken in einem Vortrag mitteilen könnte, auch zum praktizierten „Bilderverbot“ der Priester.
Jenseits der Bilder fängt alles Fragen erst an. Gerold Paul
Die Schau ist bis zum 23. Juli täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.
Gerold Paul
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