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Potsdam-Mittelmark: Schlange stehen gegen den Fluglärm

Landesweit hat das Volksbegehren gegen Nachtflüge begonnen / In Teltow wollten gleich am Montagmorgen Dutzende unterschreiben

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Teltow - Für mehr Nachtruhe hatten sich rund 70 Teltower am Montag früh aus dem Bett geschwungen. Ab 7.45 Uhr bildeten die lokale Bürgerinitiative gegen den Fluglärm des BER und Stadtpolitiker fast aller Fraktionen eine Schlange vor dem Rathaus. Gemeinsames Ziel: die Unterschriftenliste für ein komplettes Nachtflugverbot. Landesweit hat gestern das Volksbegehren gegen Nachtflüge am künftigen Hauptstadtflughafen in Schönefeld begonnen, in Berlin läuft das Volksbegehren bereits seit dem 29. Mai.

Die Brandenburger haben jetzt bis zum 3. Dezember Zeit, 80 000 Unterschriften zusammenzubekommen, damit der Landtag das Thema noch mal auf die Tagesordnung setzt. Das könnte zur Herausforderung werden: „Es wird nicht leicht“, sagt Annika Heitz, eine der Ersten in der Schlange. Denn jetzt müssten auch Kommunen motiviert werden, die nicht oder zumindest nicht unmittelbar von den Flugrouten betroffen seien.

Bei der ersten Stufe des Verfahrens waren im vergangenen Jahr landesweit 38 000 Unterschriften zusammengekommen, in Berlin waren es 30 000. Wenn mit dem Volksbegehren die zweite Stufe erfolgreich abgeschlossen wird, müssen die Parlamente beider Länder sich mit dem Antrag auf ein strenges Nachtflugverbot beschäftigen. Sollte er abgelehnt werden, folgt ein Volksentscheid.

Ursprünglich sollte der Start des Volksbegehrens mit der Eröffnung des Flughafens zusammenfallen – wenn der denn rechtzeitig fertig geworden wäre. Weil die Inbetriebnahme nun auf nächstes Jahr verschoben werden muss, fürchten viele Flugroutengegner, dass damit das beste Argument für eine Unterschrift erstmal in Vergessenheit gerät: der nächtliche Lärm. „Wäre der Flughafen schon in Betrieb, hätten wir die Auswirkungen tatsächlich beweisen können“, meint Renate Bartel von der Teltower Bürgerinitiative.

Annika Heitz sieht das anders: „Nach all dem, was bei der Planung schiefgelaufen ist, bin ich da ein wenig schadenfroh.“ Außerdem habe man so noch ein bisschen länger ein bisschen mehr Ruhe. Auch Marie-Luise Meier freut sich auf den gewonnenen Sommer. Allerdings machten sich schon jetzt deutlich mehr Flugzeuge über der Stadt bemerkbar.

Mit dem Volksbegehren wollen die Initiatoren zumindest zwischen 22 und 6 Uhr für Ruhe sorgen. Bislang soll das Nachtflugverbot am neuen Hauptstadtflughafen – mit Einschränkungen – nur zwischen 0 und 5 Uhr gelten. Der Chef der Fluggesellschaft Air Berlin, Hartmut Mehdorn, setzt darauf, dass es dabei bleibt. „Wer in einer pulsierenden Stadt wie Berlin lebt, kann nicht überall und jederzeit Idylle erwarten“, sagte er der Zeitschrift „Super Illu“. Er rechne damit, dass die Betriebszeiten erhalten bleiben. „Alles andere wäre eine Provinzposse“, sagte Mehdorn.

Dass die Politiker die Interessen der Bürger vertreten, das glauben viele nicht mehr, die sich am Montagmorgen vor dem Teltower Rathaus eingefunden haben. Die Kleinmachnower Künstlerin Anke Fountis ärgert sich nicht nur über die Ignoranz und Verlogenheit einiger Politiker: Dass ausgerechnet Willy Brandts Name für das missratene Großprojekt herhalten soll war Anlass für sie, eine kleine Brunnenskulptur mit dem Titel „Willy weint“ zu schaffen. In den kommenden sechs Monaten ist das kleine Abbild des Ex-Bundeskanzlers, aus dessen Augen Tränen in ein Becken tropfen, im Teltower Rathaus zu sehen.

In Brandenburg ermöglicht eine Reform seit diesem Jahr auch die Beteiligung per Brief und die Nutzung weiterer offizieller Räume für die Unterschriftensammlung. Darauf hat man in Teltow allerdings bewusst verzichtet. „Dafür wären etwa Kitas oder Schulen infrage gekommen, zum Schutz der Kinder wollten wir aber nicht, dass dort plötzlich jeder ein- und ausgehen kann“, so Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD).

Dass am Montagmorgen neben Stadtpolitikern auch einige Landtagsabgeordnete gekommen seien zeige, dass es ein großes parteiübergreifendes Interesse an der Sache gibt, so Schmidt. mit dapd

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