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Potsdam-Mittelmark: Schlechte Gleichung für die Arbeitsmoral
Bonus für Langzeitarbeitslose im Ernteeinsatz fällt weg – damit wird die Saisonarbeit weniger attraktiv
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Beelitz - Spargelbauer Jürgen Jakobs blickt mit Sorge auf die kommende Saison: Der aktuelle Trend, dass sich immer mehr Langzeitarbeitslose aus der Region als Erntehelfer anstellen lassen, könnte bald kippen. Denn den bisher gezahlten Bonus von 18 Euro pro Tag und Helfer soll es nach aktuellen Plänen der Bundesregierung künftig nicht mehr geben. Jakobs befürchtet, dass die Saisonarbeit damit für Hartz-IV-Empfänger unattraktiv wird. „Wenn jemand mit seinem Arbeitslosen- und Wohngeld am Monatsende auf die gleiche Summe kommt, wird er wohl kaum bei uns Spargel stechen“, sagte Jakobs gestern in einem Pressegespräch auf seinem Hof in Beelitz.
Seit fünf Jahren vermittelt die Mittelmärkische Agentur zur Integration in Arbeit (Maia) Langzeitarbeitslose als Saisonkräfte. In diesem Jahr seien es bereits 320 gewesen, die sich freiwillig für den Einsatz auf dem Feld entschieden haben, berichtete Maia-Geschäftsführer Bernd Schade. Dass in der nächsten Saison ein Großteil von ihnen lieber zuhause bleiben wird, weil sich die Arbeit ohne Aufwandsentschädigung nicht mehr rechnet, wollte er so nicht bestätigen. „Für viele ist es ein Wert, seinen Lebensunterhalt zu verdienen“, so Schade. Er räumte aber ein, dass die geplante Anhebung der deutschen Saisonarbeiter in der Mittelmark auf 500 im kommenden Jahr ohne Zuschuss vom Bund nicht gelingen werde. Zurzeit prüfe die Maia Möglichkeiten, den Verlust abzufedern, zum Beispiel in Form von Fahrkostenerstattungen. Einen hundertprozentigen Ersatz werde es aber nicht geben. Auch die Obst- und Gemüsebauern könnten die Lücke nicht schließen. „Dann müssten wir den Spargel teuerer machen und würden durch die Konkurrenz aus dem Ausland ersetzt werden“, so Jürgen Jakobs. Immerhin: In den vergangenen beiden Jahren seien die Stundenlöhne von 3,83 Euro auf zirka 5 Euro gestiegen, hieß es gestern.
Die Langzeitarbeitslosen haben sich im hiesigen Anbaugebiet längst einen festen Platz gesichert. Als vor drei Jahren die ausländischen Kräfte in der Hoffnung auf mehr Lohn nach Spanien und England weiter gezogen waren, standen die Deutschen bereit. Von den 500 Erntehelfern, die der Spargelhof Jakobs einstellt, seien mittlerweile 30 Prozent Langzeitarbeitslose. Dabei bleibt es längst nicht mehr bei nur einer Anstellung: Ein Viertel der 320 Langzeitarbeitslosen ist in diesem Jahr zwei Mal eingesetzt worden, knapp zehn Prozent sogar drei Mal. Entsprechend der Erntefolge arbeiteten die Leute zuerst als Spargelstecher, dann als Heidelbeeren- und schließlich als Apfelpflücker.
Die Betriebe haben mittlerweile die Chance erkannt, sich ein Reservoir von erfahrenen und verlässlichen Saisonarbeitern aus der Region aufzubauen und die Genossenschaft „Saison-Plus“ gegründet. Acht Betriebe, darunter die Havelfrucht GmbH in Groß Kreutz und das Obstgut Marquardt in Potsdam, „teilen“ sich auf diesem Wege 20 ehemalige Alg-II-Empfänger. So könne man die saisonalen Arbeitseinsätze zu dauerhaften Arbeitsplätzen kombinieren, sagte Jörg Linders, der den Einsatz der Langzeitarbeitslosen koordiniert. Waren die Leute in diesem Jahr noch bei den einzelnen Betrieben angestellt, sollen sie im kommenden Jahr von „Saison-Plus“ übernommen werden. Zwischen Februar und November gibt es für sie dauerhaft Arbeit. Und danach? Mittlerweile würde auch ein Gänsezuchtbetrieb mit der Mitgliedschaft liebäugeln, so Linders. Und der habe gerade in der Vorweihnachtszeit sicher genug zu tun. Thomas Lähns
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