Von Susanne Vieth-Entus: Schulen: Chaos am Buß- und Bettag
Berlins Bildungsverwaltung gibt Protestanten komplett frei
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Berlin - Der bevorstehende Buß- und Bettag stellt Berlins Schulen vor Probleme. Zurzeit ist völlig offen, wie viele der rund 100 000 evangelischen Berliner Schüler am Mittwoch zum Unterricht erscheinen werden. Denn vor wenigen Tagen war in Berlin – im Gegensatz zum Land Brandenburg – entschieden worden, dass evangelische Schüler wegen des Feiertags zu Hause bleiben können. Das bedeutet, dass viele Schulen Klausuren verschieben müssen, was Empörung auslöst. Ralf Treptow vom Berliner Verband der Oberstudiendirektoren forderte von der Bildungsverwaltung „mehr Verlässlichkeit“.
Zur Unsicherheit trägt bei, dass die Schulen gar nicht wissen, wer evangelisch ist. Sie erfassen nur die Teilnehmer am Religionsunterricht. Das aber ist kein eindeutiges Kriterium, weil einerseits nicht alle evangelischen Schüler den Unterricht besuchen, andererseits aber etliche konfessionslose oder andersgläubige Schüler dabei sind. Einige Schulen haben deshalb den Kindern jetzt Fragebögen mit nach Hause gegeben, um zu erfahren, mit wem sie am Mittwoch rechnen können. Andere Schulen lassen sich überraschen. Letztlich können die Eltern und – je nach Alter – die Schüler selbst entscheiden, wie sie verfahren.„Wir werden uns bestimmt keine Taufurkunden vorlegen lassen“, heißt es aus den Schulen.
„Wir können gar nicht abschätzen, was passiert“, sagt Ulrich Janotta vom Werner-von-Siemens-Gymnasium in Berlin-Zehlendorf. Deshalb seien die Klausuren wieder gestrichen worden. Dass die Bildungsverwaltung so kurzfristig schulfrei gewähre, „hat uns schier vom Hocker gehauen“.
Die Bildungsverwaltung hatte entschieden, dass evangelische Schüler am Reformations- sowie Buß- und Bettag schulfrei bekommen können. Bisher galt das – wie auch weiterhin im Land Brandenburg (siehe Kasten) – nur für die Dauer eines Gottesdienstbesuchs. Vorangegangen war eine Anfrage der evangelischen Kirche, die bemängelte, dass zwar muslimische, jüdische und katholische Schüler an ihren Feiertagen schulfrei haben, nur die evangelischen nicht. Diese Anfrage sei allerdings schon im Frühjahr erfolgt, sagt Kirchenschulrat Martin Spieckermann. Warum man so lange brauchte, die Sache zu entscheiden, könne er nicht nachvollziehen. Die Bildungsverwaltung hält die Probleme für „lösbar“. Klausuren müssten schließlich auch verschoben werden, wenn ein Lehrer erkranke, wandte Sprecher Jens Stiller ein. Letztlich sei es um eine gerechte Lösung gegangen.
Das tröstet die Schulen kaum. So muss das Britzer Albert-Einstein-Gymnasium etwa 20 Klausuren verschieben. Im Kollegium gebe es Empörung und unter den Schülern Unverständnis über die kurzfristige Neuregelung, berichtet Direktor Holger Ambrosius. Der Zeitplan sei „ausgeknautscht“. Solange die Schüler sich nur zum Gottesdienstbesuch hätten befreien lassen können, hätten die Klausuren vor- oder nachher stattfinden können.
Probleme gibt es auch in den Grundschulen. Sie habe alle Eltern angemailt, um zu erfahren, wer sein Kind an dem Tag zu Hause behalten wolle, berichtet Dorothea Ferrari von der Heiligensee-Grundschule. Keine Schwierigkeiten sieht Catherine Prahm, die die Reinickendorfer Albrecht Haushofer-Realschule leitet: Da sich die meisten Schüler beim Praktikum oder auf Englandfahrt befänden, seien keine Klausuren angesetzt.
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