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Potsdam-Mittelmark: Schwache Prognosen, große Vorhaben

Jährlich 1,5 Millionen Tonnen Transportgut sollen einmal die Machnower Schleuse passieren / Das rechtfertige keinen überdimensionierten Ausbau, alarmieren die Kritiker

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Jährlich 1,5 Millionen Tonnen Transportgut sollen einmal die Machnower Schleuse passieren / Das rechtfertige keinen überdimensionierten Ausbau, alarmieren die Kritiker Von Peter Könnicke Kleinmachnow. Prognosen in der Euphorie der Wende klangen vielversprechend. Auch diese: Im Jahr 2010, so verhieß es ein Gutachten 1992, werden in Kleinmachnow jährlich 9,4 Millionen Tonnen Transportgut durch den Teltowkanal geschleust. Große Schiffe sah man auf ihrem Weg nach Berlin passieren. Die Machnower Schleuse, ein baugeschichtliches Denkmal im inzwischen 100 Jahre alten Teltowkanal, wurde Teil des deutschen Verkehrsprojektes mit der Nummer 17, hinter dem der Ausbau der Wasserstraße von Hannover bis Berlin steht. Mit den Jahren mehrten sich in Kleinmachnow die Zweifel. „Kommen tatsächlich so viele Schiffe mit voller Ladung?“, begannen Skeptiker zu fragen, allen voran die Bürgerinitiative „pro Kanallandschaft Kleinmachnower Schleuse“. Dass diese auf 190 Meter ausgebaut und dafür hunderte Bäume gefällt werden sollen, erschien zunehmend unverständlich und unsinnig. Nach jahrelangem Fordern neuer Analysen gibt es jetzt eine Antwort. Nach neuesten Prognosen, die für den aktuellen Bundesverkehrswegeplan erhoben wurden, ist für die Kleinmachnower Schleuse bestenfalls mit einem Jahresaufkommen von 1,5 Millionen Tonnen zu rechnen. „Damit ist auch jetzt noch der Neubau der Schleuse gerechtfertigt“, hieß es im brandenburgischen Bauministerium kurz bevor dessen langjähriger Hausherr Hartmut Meyer (SPD) Mitte September sein Amt aufgab. Mit Meyer verschwand einer der vehementesten Fürsprecher des Havel- und Schleusenausbau von der politischen Bildfläche. Zuvor musste sich Meyer von seiner Idee verabschieden, den Teltowkanal als Bindeglied einer Wasserautobahn gen Polen auszubauen. Der Bund sah darin keinen vordringlichen Bedarf, nicht zuletzt wegen des kläglichen Kosten-Nutzenfaktors, der mit kleiner als 1 errechnet wurde. Das heißt: Die Kosten für den Ausbau des Teltowkanals wären höher als der Nutzen dieser Maßnahme. Für Manfred Hauck ist das eine „Sensation“. Bei einer derart schlechten Wirtschaftlichkeitsprognose für den Teltowkanal und den zu erwartenden Durchgangs-Tonnage-Zahlen fragt sich der engagierte Sprecher der Bürgerinitiative mehr denn je nach dem Sinn des geplanten Ausbaus der Kleinmachnower Schleuse. In einem Offenen Brief an Landesvater Matthias Platzeck hat gestern die Bürgerinitiative gefordert, „auf politischer Ebene nochmals zu prüfen, die Schleuse anstatt auf 190 Meter nur auf 115 Meter auszubauen“. Zwar gibt es bereits einen rechtskräftigen Beschluss für den Bau der Mega-Schleuse, die 50 Millionen Euro kosten wird. Legitimiert werde die Investition durch die neuen Prognosen keinesfalls, hebt Hauck den Zeigefinger. Tatsächlich beschreiben die Zahlen für das künftige Schleusenaufkommen in Kleinmachnow genau das, was für den Bundesverkehrswegeplan an Prognose bis zum Jahr 2015 ermittelt wurde. Dort wird für die deutsche Binnenschifffahrt zwar ein steigendes Transportaufkommen erwartet. Doch im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern sinkt der Anteil der Schifffahrt sowohl am Transportaufkommen als auch bei der Leistung laut Prognose um 4 bis 6 Prozent. Grund ist der geringe Transportzuwachs bei Massengütern wie Kohle, Steine und Erden, doch gerade diese werden übers Wasser bewegt. Bundesweit wird eine Zunahme des jährlichen Transportaufkommens in der Binnenschifffahrt von 1997 bis 2015 um 60 Millionen Tonnen erwartet. Aber: In Brandenburg bleibt es in dem gleichen Zeitraum – so die Vorausschau – unverändert bei 2,3 Millionen Tonnen, die über die märkischen Flüsse geschippert werden. Das würde allen Visionen widersprechen, die Ex-Verkehrsminister Meyer von Brandenburg als maritimes Transitland bislang pflegte. Hingegen würde dieses geringe Aufkommen erklären, warum der Bund den Ausbau der Wasserwege Richtung Osten gegenwärtig für wirtschaftlich unsinnig erklärt. Immerhin sollen allein 1,5 Millionen Tonnen durch Kleinmachnower geschleust werden – ein Grund, sie auf 190 Meter auzubauen? „Damit wäre noch nicht einmal die jetzige 85-Meter-Schleuse ausgelastet“, schüttelt Manfred Hauck den Kopf. „Auf Grundlage dieser neuen Wirtschaftsdaten betrachten wir das Festhalten an dem ursprünglich für Großmotorgüterschiffe geplanten Ausbau der Schleuse als ökonomisch wie ökologisch nicht mehr vertretbar“, bekundet die Bürgerinitiative in ihrem Brief an Platzeck. Es wäre unverständlich, wenn angesichts des bundesdeutschen Kassennotstandes nicht eine „voll befriedigende“ Schleuse von 115 Metern in Erwägung gezogen wird. So könnte zudem der zwar bereits reduzierte, aber dennoch noch immer massive Eingriff in das landschaftlich wertvolle Kanalufer unterhalb der Kleinmachnower Hakeburg weitgehend schonend erfolgen. Für die jetzigen Pläne einer 190 Meter langen Schleuse müssten mehrere hundert Bäume gefällt werden. Die Arbeiten sollen im Dezember beginnen. „Die Fällung sollte so schnell wie möglich erzeugen“, betont Ritva Reuter, Projektleiterin im zuständigen Wasserstraßen-Neubauamt Berlin (WNA). Zum einen werden im Winter keine brütende Vögel gestört, zum anderen müsste schleunigst das Feld für die Munitionsinspekteure bereitet werden, denn theoretisch kann mit dem Bau der Schleuse im kommenden Jahr begonnen werden. Diese müsste allein deshalb 190 Meter lang sein, weil so auf zusätzliche Koppelstellen verzichtet werden könne. Die Formel des WNA: Alles was nicht in der Schleuse passiert, müsse sonst davor passieren. Wollten 135 Meter lange Schubverbände, die heute schon auf dem Teltowkanal verkehren, eine 115-Meter-Schleuse, müssten sie zuvor entkoppelt werden. Für die notwendigen Koppelstellen vor und hinter der Schleuse wären erhebliche Abbaggerungen am Ufer notwendig. Auch Wartestellen könnten gespart werden: Denn kommen zwei Schiffe gleichzeitig – die für den Kanal zugelassenen Europakähne sind 85 Meter lang – , können sie gemeinsam geschleust werden. Lediglich für den Fall, dass sich zwei Schiffe zur gleichen Zeit in Kleinmachnow entgegenkommen, muss eine Wartestelle eingerichtet werden. Die Streiter für einen möglichst geringen Eingriff in die Uferzone überzeugt das nicht mehr. Dass sich hier Schiffe einmal begegnen werden, wird für Gerhard Hallmann immer unwahrscheinlicher. „Unter den neuen Bedingungen und Prognosen ist das kaum noch ein Argument“, befindet der Vordenker der Bürgerinitiative. Wenn Warteplätze grundsätzlich vorgesehen werden müssen, reiche die bereits vorgesehene Stelle im Machnower See aus. Auf der Südseite des Kanals gebe es in landschaftlich unbedenklicher Lage zwischen neuer Autobahn- und alter S-Bahnbrücke einen alten Liegeplatz, „der leicht zu reaktivieren ist“, wiederholt Hallmann einen schon einmal gemachten Vorschlag. Vor allem aber benötige eine Schleuse von 115 Meter Länge, die von der Bürgerinitiative für eine Ertüchtigung des Kanals durchaus als notwendig betrachtet wird, eine kleinere Ausfahrt. Dies wiederum reduziere den Eingriff in die Uferzone. Dass dort mit den angekündigten Baumfällungen „nun Tatsachen geschaffen werden sollen, erregt aufs Äußerste“, schimpft der Naturschutzbeauftragte Gerhard Casperson. Zeitgleich mit dem Offenen Brief an Platzeck hat gestern der bündnisgrüne Ortsverband zum Protest aufgerufen. Am 15. November soll an der Schleuse gegen die Baumfällungen demonstriert werden.

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