
© Lutz Hannemann
Staatlich anerkannter Erholungsort: Schwielowsee fehlen die Hingucker
Die Gemeinde hat Hunderttausende in den Tourismus investiert. Doch das Gastgewerbe hinkt hinterher. Die Aufenthaltsdauer ist auf die Hälfte dessen gesunken, was für Erholungsorte gefordert ist
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Schwielowsee - Schwielowsee muss sich strecken, um im Jahr 2020 erneut zum „Staatlich anerkannten Erholungsort“ zu werden. Fünf Jahre nach der Verleihung des Titels hat das Berliner Tourismusbüro „Project M“ eine Halbzeitbilanz zur touristischen Entwicklung der Gemeinde gezogen. Demnach sind inzwischen zwar etwa 75 Prozent der Handlungsvorschläge aus dem Tourismuskonzept umgesetzt worden, hat die Gemeinde Hunderttausende Euro in Wege und Wegeleitsysteme, Wasserwanderstützpunkte und Radabstellplätze investiert. Doch das Gastgewerbe hinkt – mit wenigen Ausnahmen – der Entwicklung offenbar hinterher.
Die Zahl der Hotels und Pensionen mit mehr als zehn Betten ist von 21 auf 18 zurückgegangen, die vier Campingplätze haben nur noch 217 statt 253 Stellplätze und kaum ein touristisches Unternehmen lässt sich, wie es sich für einen Tourismusort gehört, zertifizieren oder wirbt mit bekannten Gütesiegeln. Bei den Privatunterkünften sind sogar weniger klassifiziert als vor fünf Jahren.
Aufenthaltsdauer von 2,4 auf 2,1 Tage gesunken
Das ist offenbar nicht folgenlos geblieben: Wie im gesamten Land Brandenburg hat sich die Gästezahl in Schwielowsee zwar deutlich erhöht: Mit 40 700 Besuchern kamen 2014 etwa 25 Prozent mehr in die Gemeinde als noch vor fünf Jahren. Sie bleiben aber nicht mehr so lange, die Aufenthaltsdauer ist von 2,4 auf 2,1 Tage gesunken. Eine kritische Zahl, denn laut Kurortegesetz sollen die Gäste in der Regel vier Tage in Erholungsorten bleiben. Ohnehin konzentriert sich der Betrieb auf den Sommer, die Hälfte der Übernachtungen liegt zwischen Juni und August. Die Nebensaison ist völlig unterbelichtet.
Für die nächste Bewerbung kommt erschwerend hinzu, dass die Voraussetzungen für den Erholungsorttitel verschärft werden sollen. Das brandenburgische Wirtschaftsministerium bestätigte am Dienstag auf PNN-Anfrage, dass die Verleihung mit der bevorstehenden Novellierung des Kurortegesetzes an deutlich härtere Bedingungen geknüpft werden soll, gerade was die Zugänglichkeit für mobilitätseingeschränkte Menschen angeht. Wann genau der neue Gesetzentwurf vorliegt, ist zwar noch offen. Doch die Experten von „Projekt M“ gehen wohl nicht zu Unrecht davon aus, dass es bis zur nächsten Titelbewerbung von Schwielowsee ein schärferes Kurortegesetz geben wird.
Touristischer Fahrplan bis zur Neubewerbung
Die Zwischenbilanz endet mit einem touristischen Fahrplan für die kommenden Jahre, damit es mit der nächsten Bewerbung unter erschwerten Bedingungen doch noch klappt. Vier Schlüsselprojekte werden darin aufgezählt: Mehr Servicequalität, mehr Barrierefreiheit, die touristische Profilierung als Künstlergemeinde und die Entwicklung des Caputher Gemündes als Aushängeschild der Kommune, wozu aus Sicht vieler Gastgeber auch unbedingt ein öffentlicher Bootsanlegeplatz gehören würde.
Im Detail stellen sich die Schlüsselprojekte folgendermaßen dar: Mit der Zertifizierung als „Qualitätsgemeinde“ könnte das Versprechen eines so genannten prädikatisierten Erholungsortes untersetzt werden, wie es in der Expertise heißt. Um „Qualitätsgemeinde“ zu werden, müssten sich 15 Betriebe mit dem Qualitätssiegel des Berliner Vereins „Service-Qualität Deutschland“ ausweisen. Momentan sind es zwei – neben der Touristeniformation noch das Hotel „Geliti“ in Geltow.
Belange behinderter Menschen kaum berücksichtigt
Außerdem wird eine Initiative „Schwielowsee barrierefrei“ empfohlen. Bislang würden Belange mobilitätseingeschränkter Menschen kaum berücksichtigt. Entscheidend sei vor allem, heißt es im Zwischenbericht, Transparenz zur Zugänglichkeit touristischer Angebote herzustellen. Außerdem sollte ein externer Gutachter beauftragt werden, nach einfachen Möglichkeiten für mehr Barrierefreiheit in den drei Ortsteilen zu suchen.
Zwar finden zahllose Konzerte und Ausstellungen im Ort statt, doch Kunst und Kultur seien weder touristisch erlebbar, noch würden sie ausreichend prominent kommuniziert, wie in der Zwischenbilanz des Projektbüros kritisiert wird. Künstler aus dem Ort müssten zumindest teilweise mobilisiert werden, touristisch vermarktbare Kreativangebote zu entwickeln und Partner im Bereich der Beherbergung einzubinden. Solche Angebote seien gerade für die Nebensaison ein „nachfragebelebendes Element“.
Für das Caputher Gemünde wird statt des „gestalterischen Stückwerks“ ein Konzept aus einem Guss empfohlen – sowohl was die Außenmöblierung als auch die gärtnerische Gestaltung angeht. Die Gemeinde sollte weiter versuchen, eine öffentliche Anlegestelle dort einzurichten, auch wenn das von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bislang abgelehnt wurde. Außerdem könnte, empfiehlt „Project M“, Schwielowsee auch am Gemünde als Künstlerort erkennbar werden. Bemühungen für einen Skulpturenpfad sind aus versicherungstechnischen Gründen bislang zwar gescheitert. Vorstellbar seien aber auch Elemente der Gartenkunst, Kunstobjekte in Vitrinen und zumindest ein richtiger „Hingucker“.
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