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Die Schwalbe im Griff: Die Leidenschaft von Johns Bressels sind Zweiräder.

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Potsdam-Mittelmark: Selbst schraubt der Biker

In der Werkstatt von Johns Bressel in Geltow kann man sein Zweirad neu kennenlernen

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Schwielowsee - Es beginnt immer mit einem lauten „Ratsch“: Der Kickstarter saust nach unten, schnellt wieder hoch – und schon knattert der Motor in den hellsten Tönen. Unvergesslich ist der Klang der Schwalbe. Mit seligem Blick dreht Johns Bressel das Handgas auf und beobachtet, wie sich bläulicher Qualm durch den Auspuff drückt. Er hat es geschafft: In mühevoller Kleinarbeit hat er mit den Besitzern das gelbe Schmuckstück wieder flott gemacht, nachdem es jahrzehntelang in einem Stall gestanden hatte. Der Tank war verrostet, die Dichtungen porös und die Bowdenzüge gerissen. Ansonsten aber sieht die „KR 51“ noch so aus, als wäre sie gerade erst in Suhl vom Band gerollt.

Der 51-jährige Bressel kennt die Simson-Mopeds in- und auswendig, aber auch über moderne Roller und Motorräder weiß der gebürtige Potsdamer Bescheid. „Die Zwei- und Viertakt-Motoren funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip, da hat sich nichts verändert“, sagt er. Mit seinem Fachwissen steht der langjährige Schrauber in Geltow Zweiradfahrern zur Seite, die ihr Gefährt gern selbst reparieren möchten – um es besser kennenzulernen, oder einfach nur um Geld zu sparen. In der Selbstschrauber-Werkstatt in der Chausseestraße 5 treffen Chopper- und Mofafahrer aufeinander, steht die legendäre Jawa neben dem chinesischen Roller aus dem Baumarkt. Jeder kann herkommen und einen Arbeitsplatz mieten, das Spezialwerkzeug nutzen und Johns Bressel um Rat fragen.

Der Clou sind die Sandstrahlmaschinen, die er vor einiger Zeit angeschafft hat: Wer alte Teile wie Zylinderköpfe nicht mehr nachbestellt bekommt, kann sie hier mit Hochdruck und feinem Sand oder Glasperlen selbst reinigen. Danach sehen sie wie neu aus. Die Maschinen kommen auch zum Einsatz, wenn jemand sein altes Zweirad komplett überholen möchte. Zuletzt ist auf diese Weise ein Duo erneuert worden. Das dreirädrige Moped, zu DDR-Zeiten als Behindertenfahrzeug eingesetzt, gehört einem Arzt aus München.

Es ist aufgeräumt in der Werkstatt von Johns Bressel: Ordentlich hängen die Schraubenschlüssel an der Wand, auch auf der Werkbank hat alles seinen Platz. Nummernschilder zieren die Decke, und am Tor kleben die Baupläne für verschiedene Awo-Motoren. „Die habe ich zu DDR-Zeiten selbst gezeichnet und durch den Verkauf ein bisschen dazuverdient“, erläutert er. Awo, das sei seine Marke gewesen, schwärmt der Motorrad-Freak, der schon damals Maschinen mit Erfindungsreichtum zum Laufen brachte. Angefangen hatte Bressel freilich kleiner: Sein erstes Zweirad war ein Mofa SR2. Der alte „Hühnerschreck“ steht heute – sauber aufgearbeitet – am Tor neben dem neuen Parkplatz und soll Kunden den Weg zur Werkstatt weisen.

Dort liegt – stilecht – eine Schachtel „Karo“ auf dem Tisch. Daneben sitzt ein Bekannter von Bressel und sammelt seine Kräfte – denn gerade musste er seinen Roller aus dem Ortszentrum bis hierher herschieben: An der Ampel war plötzlich der Sprit alle. „Das Ding schluckt zurzeit mehr als ein Daimler“, knurrt er kopfschüttelnd. Bressel hat noch einen Liter Super übrig und verspricht, sich demnächst um das Problem zu kümmern, bevor der Mann zufrieden und mit röhrendem Motor vom Hof braust.

Johns Bressel hat sich mit seiner Idee auf den Weg in die Selbständigkeit gemacht. Die Selbstschrauber-Werkstatt für Zweiräder hat Potenzial, sagt er, denn: „Die Benzinpreise werden immer teurer und viele schaffen sich ein Moped an für kurze Wege“, so sein Eindruck. Dazu gehören längst nicht nur Männer: Bressel leite auch viele weibliche Bikerinnen bei den Reparaturarbeiten an. Unterschiede gebe es da kaum – erst recht nicht beim Ergebnis: „Niemand verlässt die Werkstatt mit einem Zweirad, das nicht läuft“, sagt Bressel entschlossen und dreht noch mal kräftig am Gas der Schwalbe.

Öffnungszeiten von 9 Uhr, am Samstag von 10 bis 20 Uhr. Tel. (03327) 54 88 96. Im Internet: www.Selbst-Schrauber.de.

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