Potsdam-Mittelmark: So sehen Sieger aus
Im Teltower Rathaus wurde das erfolgreiche Volksbegehren für ein striktes Nachtflugverbot ausgelassen bejubelt
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Teltow - Frenetischer Jubel gestern unter den rund 300 Gästen im Teltower Rathaussaal: „So sehen Sieger aus, lalalalala!“ wird gesungen, es wird geschunkelt, Arme und Schals wedeln durch die Luft und manche Augen sind feucht. Und so sieht die Zahl aus, die das Stimmungsbarometer bei der Wahlparty in Teltow um 19.45 Uhr nochmal deutlich steigen lässt: 106 332 Unterschriften!
Frontleute, Dutzende Helfer und Kommunalpolitiker beklatschten vor den laufenden rbb-Kameras ihren eigenen Erfolg. Das Volksbegehren für ein umfassendes Nachtflugverbot auf dem BER ist eine überraschend deutliche Ansage an die Politik. „Noch nie hat es ein so starkes Bündnis von Bürgerinitiativen in der Region gegeben“, sagt Christine Hauptmann, Vorsitzende der Bürgerinitiative „Teltow gegen Fluglärm“. „Abtauchen oder sich verstecken hinter irgendwelchen Slogans wird der Politik nun nicht mehr helfen.“
10 295 Stimmen aus Blankenfelde-Mahlow, 9 957 aus Potsdam, 7 279 aus Kleinmachnow – es sind solche Zahlen, die den Saal gestern zum Brodeln bringen – und die Redner heiser machten. Sie werden bejubelt wie auf einem Rockkonzert. „Ministerpräsident Platzeck muss nun auf sein Volk zugehen“, ruft der Sprecher der Volksinitiative, der Kleinmachnower SPD-Vorsitzende Matthias Schubert, in die Menge. „Wir wissen, wie es geht, wir wissen, wie sich ein Sieg anfühlt. Herr Platzeck, Herr Wowereit, wenn ihr einen Volksentscheid wollt, könnt ihr in haben.“
Das Selbstbewusstsein der zahllosen Bürgerinitiativen und Nachtfluggegner ist mit dem Resultat spürbar gewachsen. Gerade der Druck von der SPD-Basis aus den vom Fluglärm betroffenen Regionen dürfte zunehmen in den nächsten Tagen. „Wir erwarten, dass das Signal auch verstanden wird“, sagt Schubert den PNN. Von einer sozialdemokratischen Regierung erwarte er, dass sie jetzt sozialdemokratisch handelt. „Wie sich der Landtag zu diesem Volksbegehren verhält, wird entscheidend sein für die spätere Akzeptanz des Willy-Brandt-Flughafens“, erklärt Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD). Sein Kleinmachnower Amtskollege und Parteifreund Michael Grubert stellt klar: „Niemand muss um 4.30 Uhr für 29 Euro nach Kopenhagen fliegen.“
Auch die Nachfluggegner aus den Reihen der Linken werden sich jetzt wohl deutlicher zu Wort melden. Der Sprecher der Kleinmachnower Linken, Klaus-Jürgen Warnick, bezeichnet das Volksbegehren als „gutes Zeichen für die Demokratie“. „Wir haben sehen können, dass sich die Bürger nicht mehr alles gefallen lassen.“ Auch Politiker seien bei den Flugrouten belogen worden. Warnick appelliert an seine Landtagsfraktion, Mut zu zeigen und dem Bürgervotum zu folgen. „Die Linken im Landtag sollten jetzt den Mund aufmachen und das vertreten, was sie zum Flughafen in den letzten fünfzehn Jahren immer gepredigt haben.“ Das könne eine Chance sein, in der rot-roten Koalition wieder Profil zu gewinnen.
„Sicher wird es auch in unserer Fraktion jetzt noch einmal eine intensive Diskussion geben“, sagt der Kleinmachnower CDU-Landtagsabgeordnete Ludwig Burkardt. Wer Erfahrungen in Flughafennähe gesammelt hat, sei sehr distanziert zum Thema Nachtflug. „Auch der Frust darüber, wie man den Leuten den ihnen zustehenden Lärmschutz am BER vorenthalten will, ist deutlich gewachsen“. Insgesamt werde es spannend, zu sehen, wie der Landtag mit dem Volksbegehren umgeht, so der CDU-Abgeordnete. „In den vergangenen Monaten ist immer deutlicher geworden, dass für einen wirtschaftlichen Erfolg des Flughafens Nachtflüge nicht notwendig sind“, meint Burkardt.
Hochzufrieden zeigt sich der FDP-Landtagsabgeordnete Hans-Peter Goetz mit dem Ergebnis in seiner Heimatstadt. Allein in Teltow wurden 6320 Unterschriften gesammelt. „Insgesamt zeigt das Resultat, dass die Brandenburger gewillt sind, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen.“ Jetzt liege es an der Politik, dem Votum Taten folgen zu lassen. „Es ist ein klarer Auftrag an den Landtag und die Landesregierung.“
Es ist das erfolgreichste Volksbegehren, das es jemals gab in Brandenburg. Und das erste erfolgreiche überhaupt. Der Teltower SPD-Landtagsabgeordnete Sören Kosanke glaubt trotzdem nicht, dass eine Landtagsmehrheit umgestimmt werden kann. Allerdings rechnet er damit, dass die Zahl der Abweichler wachsen wird. Kosanke hofft, dass der Erfolg zumindest zum Anlass zu neuen Gesprächen genommen wird. „Landesregierung und Bürgerinitiativen sollten aufeinander zugehen, beide Seiten Zugeständnisse machen.“ Er könne sich zum Beispiel vorstellen, dass Nachtflüge zwischen 22 und 6 Uhr nur in eng definierten Ausnahmefällen erlaubt werden. Kosanke: „Entweder es gibt einen tragfähigen Kompromiss oder einen Volksentscheid.“
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