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Potsdam-Mittelmark: Spannender als der „Tatort“

Bangen und Hoffen in Werders Lokalen

Stand:

Bangen und Hoffen in Werders Lokalen Werder - „Landtagswahlen verlaufen in Werder immer anders als die zur Stadtverordnetenversammlung" - soviel war in der Blütenstadt bereits vor der Bekanntgabe der Endergebnisse am Sonntag klar. Entsprechend hoffnungsvoll gaben sich die hiesigen Sozialdemokraten, zeichnete sich doch schon sehr früh ab, dass die meisten Zweitstimmen an die SPD fallen würden. Die CDU hingegen bangte bis zur letzten Minute um das Direktmandat im Wahlkreis 19 (Werder, Schwielowsee und Michendorf). Auf den Wahlpartys der beiden Parteien lagen an diesem Abend Jubel und Enttäuschung dicht beieinander. Als „schlecht, aber nicht hoffnungslos“ charakterisiert Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) die Stimmung gegen 18 Uhr im Sportcasino auf der Insel. Gebannt starrt die örtliche Union auf den Bildschirm an der Wand des Restaurants. Das immer wieder eingeblendete Ergebnis der ersten Hochrechnung drückt die Laune: CDU 19,4 Prozent. Viel wird sich daran nicht mehr ändern, dessen ist man sich hier bewusst. Im Fernseh-Interview kündigt Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske (SPD) an: „Ich kann mir eine Zusammenarbeit mit der PDS ebensogut vorstellen wie mit der CDU.“ Die gut 50 Gäste im Sportcasino antworten mit empörtem Raunen. Aber die PDS sei wahrscheinlich zu stark als Koalitionspartner der Sozialdemokraten, vermutet der Bürgermeister. Der erfahrene Kommunalpolitiker rechnet mit der Großen Koalition. Das wünscht man sich auch andernorts: In der Gaststätte „Am Schwalbenberg“ hat sich die Werderaner SPD im kleinen Kreis versammelt. Die Ortsvereinsvorsitzende Jutta Bours-Wein sagt strahlend: „Das Ergebnis ist besser, als wir erwartet haben.“ Ihre Partei liegt landesweit noch vor der PDS, „das freut mich besonders“. Einen großen Teil dieses Ergebnisses habe man dem Landesvorsitzenden Platzeck zu verdanken, räumt sie ein. Bei all der Freude über die Stimmen für die eigene Partei in der Mark gibt es aber auch einen bitteren Beigeschmack: Der Erfolg der rechtsextremen Parteien sei in Brandenburg „schlimm“ und in Sachsen „erschreckend“. Ein reges Treiben herrscht derweil im Rathaus, hier laufen die Ergebnisse aus den insgesamt 27 Wahllokalen im Stadtgebiet zusammen. Immer wieder erscheint ein Vertreter aus irgend einem Werderaner Stimmbezirk mit neuen Nachrichten. Im Sekretariat des Bürgermeisters sitzt die Beigeordente Beate Rietz (SPD). Sie gibt sich zufrieden mit dem bisherigen Ergebnis, führt es auf die verstärkte Aufklärungsarbeit über Hartz IV in den letzten Wochen zurück. Der Stadtverordnete Christian Große (CDU) pendelt derweil hektisch zwischen den Büros, fast im Minutentakt besorgt er sich den neuesten Zählstand bei Wahlleiterin Elke Viol und gibt ihn sofort per Handy an den Bürgermeister weiter. Jetzt geht es um das Direktmandat. Im Sportcasino ist mittlerweile auch die CDU-Direktkandidatin Saskia Funck eingetroffen. Noch ist alles offen, bislang sind 52 der 54 Bezirke im Wahlkreis 19 ausgezählt. Mit einem Punkt hinter dem Komma liegt die Sozialdemokratin Susanne Melior vorn. Dann kommen die Zahlen aus dem Geltower Wahllokal: Das Verhältnis hat sich umgekehrt: Funck mit einem Zehntel vor Melior. „Eigentlich wollte ich mir heute den Tatort in der ARD angucken“, sagt Werner Große. „Aber das hier ist spannender.“ Ein Wahlbezirk fehlt noch, und der liegt in Glindow. Die Unions-Mitglieder machen sich gegenseitig Hoffnung. Die Atmosphäre ist mehr als angespannt. Gegen 21.45 klingelt bei Christian Große – nun im Sportcasino – das Handy. Mit dem Telefon am Ohr und minenlosem Gesicht blickt er in die Runde. Es ist sekundenlang still. Aus einer Dame im hinteren Bereich des Lokals platzt es laut heraus „Was ist den nun?“ Große nimmt das Handy herunter und setzt feierlich an: „Herrschaften, das Ergebnis aus Glindow: Die CDU liegt mit 50 Erststimmen vor der SPD.“ Die Sportcasino-Gäste jubeln im Wechselbad der Gefühle.

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