Potsdam-Mittelmark: Spargelstecher auf Abruf
Geforderte Sozialabgaben bringen Beelitzer Landwirte und polnische Arbeitnehmer in Bedrängnis
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Geforderte Sozialabgaben bringen Beelitzer Landwirte und polnische Arbeitnehmer in Bedrängnis Beelitz – Seit 1993 packt Robert Wyszynski in Breslau jährlich seine Sachen, wenn auf dem Beelitzer Sander die Spargelsaison beginnt. Als die Landwirte Jörg Buschmann und Ernst-August Winkelmann dort die erste Dämme anhäufelten, um zunächst bescheiden an alte Traditionen des Edelgemüses anzuknüpfen, war der junge Pole bereits dabei. Kaum ein anderer war so flink wie er beim Spargelstechen. Heute ist Wyszynski Vorarbeiter bei Buschmann & Winkelmann und verantwortlich für einen Teilabschnitt des insgesamt 350 Hektar großen Spargelareals. Mit ihm arbeiten nun jährlich über 600 Polen als Erntehelfer allein auf dem Klaistower Spargelhof. „Viele sind schon alte Bekannte, sie wissen genau, was sie tun haben“, sagt Ernst-August Winkelmann. Alles habe sich eingespielt, doch plötzlich gerät das gesamte Konstrukt ins Wanken. Seit dem EU-Beitritt Polens am 1. Mai 2004 unterliegen polnische Saisonarbeiter, die in ihrer Heimat regulär beschäftigt sind, auch für die Zeit ihrer Tätigkeit in Deutschland der polnischen Sozialabgabepflicht. Eine Folge der EU-Erweiterung, mit der die deutschen Bauern anscheinend überhaupt nicht gerechnet hatten. In anderen Ländern würden in der Regel keine Sozialabgaben für kurzfristige Beschäftigungen bis zu 60 Tagen verlangt, erläutert Winkelmann. Der Arbeitgeber müsse nun 21 Prozent und der polnische Arbeitnehmer 27 Prozent des Lohnes als Abgabe entrichten. „Das können wir nicht leisten“, betonte Winkelmann gestern während eines Gespräches mit dem brandenburgischen Landwirtschaftsminister Dietmar Woidke (SPD) auf seinem Klaistower Hof. Damit wäre der Betriebsgewinn weg. Für Saisonarbeiter, die sechs bis acht Wochen auf den Feldern arbeiten, müsste es eine Befreiung von der Abgabepflicht geben. „Die Saisonkräfte aus Polen sichern deutsche Arbeitsplätze in der Region“, erläuterte Winkelmann. Ohne die polnischen Spargelstecher würde es die 80 Voll- und die 300 Saisonarbeitsplätze auf dem Hof nicht geben. „Wenn wir auf unseren 400 Hektar nur Weizen anbauen, bräuchten wir nur zwei Helfer“, erklärte Winkelmann die Situation. Zumindest teilweise konnte der Landwirtschaftsminister Entwarnung geben. Nach seinen Informationen über die polnisch-deutschen Verahndlungen auf Regierungsebene seien die Nachzahlungsforderungen für 2004 nun vom Tisch. Zudem sei damit zu rechnen, dass die neue Abgabenregelung erst ab 1. Juli 2005 greife – also erst nach Beendigung der aktuellen Spargelsaison. Viele brandenburgische Betriebe hätten bereits signalisiert, dass sie ihnen ansonsten die Insolvenz drohe, berichtete Woidke. Auch über den 1. Juli hinaus müsse eine Regelung im Sinne der deutschen Landwirte und der polnischen Arbeitnehmer gefunden werden, betonte der Minister. Produktionsverlagerung in andere Länder oder der Einsatz von Erntehelfern aus anderen Ländern, die keine Sozialabgabepflicht für kurzfristige Beschäftigungen haben, wären ansonsten Alternativen in höchster Not, erklärte Jörg Buschmann Ein guter polnischer Spargelstecher verdiene für seine harte Arbeit während der 6 bis 8 Wochen in Klaistow zwischen 2000 und 3000 Euro auf die Hand, hieß es. Die Summe ergibt sich aus einem Grundlohn und Leistungsprämien. Viele Erntehelfer aus dem Nachbarland nehmen für ihren Einsatz beim Spargelstechen oder beim Spargelsortieren ihren Urlaub. Der Lohn ist fest im Familienbudget eingeplant. Untergebracht sind sie während des Ernteeinsatze in ehemaligen Kasernengebäuden.
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