zum Hauptinhalt

Von Gerold Paul: Staatsbesuch beim kleinen Mann

Nahe Landschaft im neuen Heimat-Magazin

Stand:

Region Teltow - Die nahen Landschaften „lesen“ lernen, im Kleinen das Große entdecken, was wäre dafür nützlicher als Guido Zenkerts „Heimat-Magazin“. Auch in der jetzt vorgelegten vierten Ausgabe steht „Ein Lesebuch“ in der untersten Zeile, „Das Teltower Land“ gibt den Titel für 35 Beiträge von mehr als einem Dutzend Autoren. Dieser Landkreis Teltow reichte früher bekanntlich viel weiter nach Norden, sonst hätte es ja eines Brandenburger Tores in Berlin nicht bedurft. Ganz klar, die große Geschichte vom Doppelselbstmord Am Kleinen Wannsee 1811, als Heinrich von Kleist und die krebskranke Henriette Vogel den Tod suchten, ist „eine von hier“ Erfreulich auch, dass sich die Zehlendorfer Heimatforschung ihrer alten, südlichen Wurzeln erinnert. Man liest voller Staunen von der 1848er Revolution und vom Seidenbau im Dorf, der ja ab 1825 mit dem Namen des Potsdamer Schulrats Wilhelm von Türk verbunden ist. Als er 1846 starb, wollte er neben einem Maulbeerbaum begraben sein. Voriges Jahr erfüllte man dem „Vater der Armen und Waisen“ auf dem Friedhof Klein Glienicke endlich diesen Willen.

Andere Kreise wird vielleicht interessieren, wie aufmüpfig Nudower und Schenkendorfer (heute Schenkenhorster) auf die dritte Einwanderungswelle nach dem Zweiten Schlesischen Krieg reagierten. Auf königlichen Befehl sollten diese Dörfer große Teile der Saarmunder Niederheide an das Neu-Kolonistendorf Philippsthal abgeben, wo um 1750 Wollweber aus Aschersleben angesiedelt wurden. Zum Ausgleich erhielten sie Weideland gen Ahrensdorf. 209 Morgen waren allerdings futsch, was den Bauern auch heute nicht freute. Analogien zur Zeit nach 1945 sind erwünscht.

Guido Zenkerts Einmann-Verlag scheint ohnehin nur „aktuelle“ Lese-Geschichten zu präsentieren: Staatsbesuch beim kleinen Mann? Natürlich brachte Friedrich Wilhelm III. für seine Einkehr bei dem kleinen Dorfpfarrer zu Stahnsdorf vom Silberdiener und Küchenwagen bis zur „Erbtoffel“ alles Nötige mit. Anlass war ein Manöver im September 1834. Brot und Pflaumen nahm seine Majestät huldvoll an, das Glas, daraus Er Selters mit Milch getrunken, erhob man sofort zum Familienkleinod. Übrigens wurde in Stahnsdorf kurz vor dem Krieg auch eine „feste Funkstelle“ der Abwehr eingeweiht. Sie ist mit dem Namen Canaris verbunden.

Schön, dass man die Kirchengeschichte nicht vergisst. Protestantische Pfarrer dürfen staunen, wie gut ihr Kollega nach 1871 von den Abgaben seines Sprengels leben konnte. Der Beitrag zu Ludwigsfelde aus katholischer Sicht fördert ganz wichtiges Material zu Tage. So waren die Atheisten um 1942 eine Minderheit, jeder Zehnte dafür Katholik. Ach, so vieles ist ganz aus der Nähe zu vermelden: dass es einst durch das Bäketal nur drei Pässe gab, vom Treiben im Teltower Ordonanzhaus, von Riesengrab, Franzosenfichten und dem Trommler zu Gröben, der noch posthume zur Mitternacht sein „Kalbsfell rührte“, wenn Preußen ein Krieg drohte. Mit ihm stand Letunant von Schlabrendorff aus dem Grab auf, und eine Graue Katze. Man soll das Trommeln noch 1914 von Saarmund bis nach Trebbin hin gehört haben.Schön, dass man auch dem Heimatforscher Willy Spatz (1870-1920) ein Denkmal setzt, dem besten Kenner des Teltow und seiner vielen Geschichten.

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })