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40 bis 50 Taxis sind im Landkreis Einsatz. Ihr wichtigstes Geschäftsfeld wird ihnen gerade von der Wohlfahrt abgeluchst.

© ddp/Archiv

Von Thomas Lähns: Taxifahren lohnt nicht mehr

Studie: Unternehmen im Kreis können nicht mehr wirtschaftlich arbeiten – trotz guter Voraussetzungen

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Potsdam-Mittelmark - Kurt Klemm kann sich an Zeiten erinnern, als sich Taxifahren noch gelohnt hat. „Mitte der 1990er hatte man pro Wagen 1500 Euro im Monat verdient – Reingewinn“, sagt der Treuenbrietzener Unternehmer. Dann kam der Euro, der Spritpreis explodierte und zuletzt hat noch die Wirtschaftskrise zugeschlagen. Auf dem flachen Land ruft kaum noch das Taxi. „Unterm Strich bleiben vielleicht noch 150 Euro übrig. Sagen sie mir mal, wie man davon leben soll?“ Klemm hat sein Unternehmen in diesem Jahr aufgegeben und ist in Rente gegangen. Dass es nicht mehr rund läuft im Fahrgeschäft wurmt ihn nach wie vor. Er ist Vorsitzender des Taxiverbandes Potsdam-Mittelmark und einer der wenigen, die sich überhaupt zum Thema äußern wollen. Die Stimmung im Landkreis ist verhalten.

Das Landratsamt hat jetzt eine Studie über die wirtschaftliche Situation der Taxibetriebe in Potsdam-Mittelmark veröffentlicht. Fazit der Untersuchung des Forschungsinstitutes Linne und Krause: Für Taxiunternehmer ist die Arbeit unwirtschaftlich geworden. So nehmen die Fahrer durchschnittlich 64 Cent pro Kilometer ein, haben aber 41 Cent Kosten. Und das sind nur die normalen Fahrten, bei denen sich zum Beispiel Reisende zum Bahnhof bringen lassen.

Solche Touren gebe es aber kaum noch im ländlichen Raum: „90 Prozent sind Krankenfahrten, und auf die sind wir angewiesen“, sagt Kurt Klemm. Für den Fahrdienst zum Arzt oder zur Therapie zahlen die Krankenkassen – und die drücken die Preise. So liegt zum Beispiel die AOK laut Studie mit ihren Verträgen weit unter dem amtlichen Tarif: Für eine 20-Kilometer-Tour zahlt sie statt des eigentlichen Preises von 32,50 nur 22 Euro. Wartezeiten würden gar nicht bezahlt werden. Diese Abhängigkeit kritisiert auch das Institut Linne und Krause.

„Durch die langen Strecken sind wir noch mit dem Geld hingekommen, doch die Wohlfahrtsverbände machen uns ernsthaft Konkurrenz“, sagt Kurt Klemm. Denn Johanniter, Rotes Kreuz und Co. buhlen ebenfalls um die Krankenfahrten – und können sie meist billiger anbieten. „Die müssen keine Steuern zahlen und lassen zum Teil Zivis fahren“, analysiert Klemm die Preisvorteile der Wohlfahrt. Die Krankenkassen vergeben meist an die billigsten. Die Barmer Ersatzkasse ist sogar dazu übergegangen, ihre Fahrten im Internet zu versteigern. Klemm hat sich mit einem Beschwerdebrief vor einem Jahr ans Verkehrsministerium des Landes, sämtliche Landtagsfraktionen und den Petitionsausschuss gewandt und dringend um Abhilfe gebeten. Eine Antwort habe er bis heute nicht erhalten.

Andere Möglichkeiten sieht er keine: Eine Tariferhöhung hatte es erst vor zwei Jahren gegeben, und im Landesvergleich liegen die mittelmärkischen Taxis mit einem Grundpreis von 2,50 Euro und weiteren 1,50 Euro pro Kilometer schon im vorderen Bereich. Nicht einmal der aufstrebende Fläming-Tourismus sei ein Rettungsanker, weil die Leute meist per Auto anreisen und ein Fahrrad dabei hätten.

40 bis 50 Taxis sind im Landkreis im Einsatz, und eigentlich sind die Voraussetzungen für sie gut: Steigende Bevölkerungszahlen, niedrigste Arbeitslosenquote und laut Studie höchste Kaufkraft im Land. Aber selbst dort, wo das Kundenklientel noch ausgewogen ist, droht den Taxifahrern Konkurrenz. Der Potsdamer Unternehmer Harry Kortschlag hat unter anderem in der Region Teltow fünf Limousinen und ein Behindertenfahrzeug im Einsatz. Zu seinen Kunden zählen Geschäftsreisende, Privatleute und Touristen. Gerade um letztere werben aber auch Hotels und Reiseveranstalter, indem sie eigene Fahrzeuge einsetzen und im Taxi-Revier wildern – zum Teil gesetzeswidrig. „Es muss einfach stärker kontrolliert werden“, sagt Kortschlag.

Die Folgen sind laut der Studie gravierend, besonders für die Ein-Mann-Betriebe: Knapp 17 Prozent haben demnach keine Altersvorsorge, mehr als die Hälfte kann mit weniger als 300 Euro privater Rente pro Monat rechnen. Als weiterer Effekt wird das Fahrzeugalter angeführt: Mit einem Schnitt von 4,6 Jahren sind mittelmärkische Taxis älter als in anderen Kreisen. Zumindest das sieht Kurt Klemm gelassen: „Ich habe meine E-Klasse zehn Jahre über 700 000 Kilometer gefahren, aber mit den heutigen Modellen ist das auch nicht mehr möglich.“ Klemms Benz fuhr bis zur Rente – wie sein Steuermann.

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