Von Alexander Fröhlich und Hannes Heine: Totes Schaf vor der Tür des Tätowierers
Schutzgeldprozess gegen Hells Angels / Opfer steht unter Polizeischutz
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Potsdam/Beelitz - Es geht um Schutzgelderpressung, Drohungen und um einen Schafskadaver, den Mitglieder des Motorradclubs (MC) Hells Angels als blutige Botschaft vor der Haustür ihres Opfers hinterlassen haben. Vor dem Landgericht Potsdam müssen sich derzeit ein 41-Jähriger aus dem inneren Führungszirkel der Rockerbruderschaft in Berlin sowie zwei weitere Höllenengel wegen räuberischer Erpressung verantworten. Der Prozess findet unter größten Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Polizei hat zwei Personenschleusen eingerichtet, an denen Prozessbeobachter ihre Personalien abgegeben müssen und durchsucht werden. Rund 20 Rocker, darunter Mitglieder der besonders aktiven Hells-Angels-Dependance in Berlin-Hohenschönhausen, sitzen erkennbar im Saal.
Nachdem das Gericht ihnen bereits am ersten Prozesstag untersagt hatte, ihre Kutten mit den Insignien des Clubs zu tragen, schritt die Kammer am Mittwoch erneut ein. Denn die Rocker hatten statt ihrer Kutten einfach nur Shirts mit den Club-Abzeichen getragen. Am nächsten Prozesstag am Montag aber ist ihnen auch das untersagt.
Der Hauptbelastungszeuge, der Tätowierer Daniel T., aus Beelitz, war aus Sicherheitsgründen nicht vor Gericht erschienen. Per Videokonferenz vernahm das Gericht den Mann, der unter Polizeischutz steht, sich weiter durch die Rocker bedroht sieht und vor Gericht daher nur zögerlich belastende Aussagen über die Angeklagten machte.
Dennoch gibt dieser Fall einen Einblick in die dubiosen Geschäftspraktiken des Rockerclubs. Die Anklage lautet auf schwere räuberische Erpressung. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Angeklagten von August 2008 bis September 2009 von T., damals Inhaber eines Tattoostudios in Beelitz, Schutzgeld in Höhe von monatlich 600 bis 1200 Euro kassiert haben. Die drei 23 bis 41 Jahre alten Angeklagten sollen versucht haben, den Mann aus dem Geschäft zu drängen – mit Nachdruck. Der jüngste der drei Rocker auf der Anklagebank, der damals stets einen Hammer bei sich trug und persönlich betreut wurde vom 41-jährigen Führungsmitglied der Hells Angels, soll im Oktober 2009 in der Gemeinde Seddiner See (Potsdam-Mittelmark) von einer Koppel ein Schaf gestohlen, es abgestochen und den Kadaver vor die Tür des Tätowierers gelegt haben.
Der sagte nun vor Gericht aus, er habe sich Anfang 2008 Hilfe bei den Rockern gesucht, um das Studio überhaupt eröffnen zu können. Als Gegenleistung gab er monatlich 25 Prozent seines Umsatzes ab. Aber das Geschäft lief schlecht, T. nahm bei einem der drei Angeklagten einen Kredit von 1000 Euro auf. Weil er nicht pünktlich bezahlen konnte, sollen die Rocker ihre Forderung horrend aufgestockt und ihm laut Anklage gedroht haben „den Kopf abzureißen“ und „mit einer Drahtschlinge die Eier“ abzuschneiden. Schließlich gab T. den Laden an einen, laut seiner Aussage in das Vorgehen der Rocker verwickelten Studiomitarbeiter ab – aus Angst. Die Angeklagten hätten ihm gedroht: „Entweder du gibst das Geschäft ab oder du denkst an deine Familie.“
Erst vergangenes Wochenende feierten Hunderte Hells Angels aus ganz Deutschland im Berlin-Hohenschönhausener Klubhaus, in dem auch die Angeklagten verkehren. Das dortige Charter, also die Ost-Berliner-Dependance der Rockerbruderschaft, lud wegen seines zehnjährigen Bestehens. Die Polizei fand Stichwaffen, ansonsten verlief das Treffen weitgehend ruhig. Überraschend hatten sich Rocker aus rivalisierenden Gruppen kürzlich den Hells Angels angeschlossen. So schlossen sich den Hohenschönhausenern mehrere Rocker des Klubs Gremium an. Noch vor wenigen Monaten gab es regelmäßig blutige Auseinandersetzungen mit Anhängern anderer Klubs, vor allem den Bandidos. Am kommenden Sonnabend lädt die lokale Unterstützergruppe des Rockerklubs, die sogenannte Brigade 81, zu einer Party nach Hohenschönhausen. Die Polizei hat das Rockerfest im Blick.
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