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Segen vom Khamba Lama. Für Hilpert geht es um die Existenz.

© Manfred Thomas

Potsdam-Mittelmark: Tränen zum Abschluss

Plädoyers im Betrugsprozess: Staatsanwalt will für Axel Hilpert fünf Jahre Haft – der beteuert Unschuld

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Potsdam - Axel Hilpert redet am Freitag das erste Mal im Landgericht. Zum Abschluss des Betrugsprozesses ergreift der 64-Jährige die Möglichkeit zum letzten Wort. Er weint. Der Petzower Hotelier erzählt tabellarisch aus seinem Leben, von seiner Ausbildung zum Techniker, seinen zwei Ehen. Er schluchzt von seiner Beschäftigung beim KoKo-Imperium von Alexander Schalk-Golodkowski, dem Beratungsjob auf Kuba und der IM-Tätigkeit.

Dann kommt er zur Wende, spricht von seiner Faszination – und bricht in Tränen aus. „Ich war froh über das gemeinsame Deutschland. Ich habe versucht, meine DDR-Erfahrungen in die neue Zeit einzubringen, Ost und West zu verbinden, Kontakte zu vermitteln, dem Land zu dienen.“ Hilpert braucht ein Tempo, er muss einige Minuten unterbrechen. „Ich hatte nie die Absicht, eine Straftat zu begehen.“

Das Bild, dass der wegen Betrugs Angeklagte am letzten Prozesstag abgibt, der Dank an seine Familie, die Aufzählung seiner Wohltaten für Petzow und das Land  – all das will ganz und gar nicht zu den heftigen Vorwürfen der Staatsanwaltschaft passen. Naivität? Gerissenheit? Wer Hilpert länger kennt, der weiß: Es ist das Spannungsfeld, in dem er sich bewegt.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dass er sich von der Landesinvestitionsbank ILB im Jahr 2004/2005 nicht nur den Bau seines Resorts Schwielowsee, sondern auch millionenschwere Privat-Gewinne subventionieren ließ. Von „Schamlosigkeit“ spricht Staatsanwalt Ivo Maier, manchmal in fast theatralischer Pose. Fünf Jahre will er ihn für „schweren Betrug hinter Gitter bringen, sechs weitere Monate für Untreue und Steuerhinterziehung. Hilpert habe mit „hoher krimineller Energie“ und „atemberaubenden Kalkulationen“ die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) „fast schon bandenmäßig“ um 9,2 Millionen Euro Fördermittel betrogen. Er habe die ILB „planmäßig hinters Licht geführt“, in dem er die Kosten des mondänen Hotelresorts „mit Zwischengewinnen, Scheinrechnungen, Provisionen, absurden Einzelpositionen und Aufschlägen“ auf 38 Millionen Euro aufblähte. Er habe sich sogar selbst Rechnungen für Beratungsleistungen geschrieben.

Laut Maier hat Hilpert alle betrogen, nicht nur die ILB, auch seine Geschäftspartner. Der Hotelier soll von den 38 Millionen Euro insgesamt 14 Millionen für private Zwecke abgezweigt haben. Das Geld, so Maier in seinem Plädoyer, steckte er in Eigenkapital für das Resort, die Scheidung von seiner zweiten Frau, den Ausgleich von Steuerschulden, „einen aufwendigen Lebensstil“ und Immobilien.

Auch zum Abschluss des seit sechs Monaten laufenden Prozesses ging es um die Firmenkonstruktion bei dem Projekt. Das Resort am Seeufer hatte die „Theodor Fontane GmbH“, an der Hilpert und der frühere „Bild“-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje mit je 24,5 Prozent die Hauptanteile halten, von der „Petzow am See Projektmanagement GmbH“ schlüsselfertig gekauft. Die „Petzow am See“, die Hilpert zu 100 Prozent gehört, soll der „Fontane“ dabei um Millionen überhöhte Rechnungen gestellt haben.

Hilpert betont in seinem letzten Wort, dass das Konstrukt der ILB und dem Land nicht nur bekannt gewesen sei. Die Gründung der „Fontane“ als Hotelinvestor sei ihm von der ILB nach gescheiterten Versuchen, das Projekt an Dritte zu verkaufen, sogar empfohlen worden. „Das war alles völlig transparent.“

Hilperts Verteidigerin Heide Sandkuhl forderte einen Freispruch ihres Mandanten, der von der ILB „in eine Förderfalle gelockt worden sei“. Im  Förderbescheid seien Auflagen nicht klar definiert worden. „Gebühren und Gewinnaufschläge“ für „verbundene und verflochtene“ Unternehmen waren darin ausgeschlossen. Ob damit Hilperts Firmenkonstrukt gemeint sein konnte, war Kernfrage des Prozesses. ILB-Zeugen sahen es so, Hilperts Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Banker sahen es anders. Und auch seine Anwälte.

Nicht Hilpert habe versagt, sondern die ILB, so Sandkuhl in ihrem Plädoyer. Ihrer „fragwürdigen, bereits vom Landesrechnungshof gerügten laxen Förderpraxis“ gegenüber sei die Staatsanwaltschaft aber blind geblieben. Sandkuhl verwies auf Affären wie um die Krampnitz-Kasernen, Trennungsgeld oder die Landnahme von Bodenreform-Grundstücken. „Solche Affären werden in Brandenburg erst aufhören, wenn einmal das Behördenverhalten in den Fokus von Ermittlungen gerückt wird.“ Stattdessen versuche man, an Hilpert ein Exempel zu statuieren, „der die ILB zu keinem Zeitpunkt getäuscht“ habe.

Die 4. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Andreas Dielitz will am 13. Juni das Urteil verkünden. Dass Hilpert freigesprochen wird, erwartet nicht einmal seine Verteidigung. So beantragte sein zweiter Verteidiger Stefan König für den Fall einer Verurteilung – und das dann absehbare Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof – eine Aufhebung des Haftbefehls gegen den 64-jährigen.

Hilpert sitze seit einem Jahr in Untersuchungshaft, sei schwer herz- und zuckerkrank. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der Förderzweck erfüllt worden sei, Hilpert ein anerkanntes Hotelprojekt – hier tagten etwa die Finanzminister der G8-Staaten – in die Landschaft gesetzt habe. „Das ist eine unternehmerische Leistung“, sagte König. Auf keinen Fall sei die Gesamtsumme der Förderung von neun Millionen der Schaden, sondern allenfalls der zu Unrecht erschlichene Anteil von maximal drei Millionen Euro.

Hilpert ruft gestern schnaubend in Erinnerung, wie der Khamba Lama, ein hoher buddhistischer Geistlicher aus der Mongolei, das Baugrundstück segnete. Vielleicht ist es seine letzte Hoffnung.

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