Potsdam-Mittelmark: Trotz Risiken der richtige Ansatz
Die Teltower Stadtverordneten wollen ihre Grundschulen bei der Inklusion unterstützen
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Teltow - Die beiden Teltower Grundschulen „Anne Frank“ und „Ernst-von-Stubenrauch“ werden sich voraussichtlich um eine Teilnahme am landesweiten Pilotprojekt Inklusion bewerben. Im Gegensatz zur Integration, die auf die Eingliederung von Kindern mit Beeinträchtigung abzielt, geht es bei der Inklusion darum, die Verschiedenheit aller Schüler anzuerkennen und so gemeinsames Lernen zur Normalität zu machen. Bis Ende Februar müssen die beiden Grundschulen ihre Konzepte für die Einbeziehung von Schülern mit Lern-, oder Sprach- oder sozial-emotionalen Schwierigkeiten vorlegen, danach wählt das Land die Schulen für das Projekt aus. Weil zu den Bewerbungsunterlagen auch eine Zustimmung des Schulträgers gefordert wird, müssen die Stadtverordneten zustimmen. Im Kulturausschuss am Montagabend fand das Vorhaben bereits breite Zustimmung.
„Das ist der richtige Ansatz, zumal beide Grundschulen schon seit 1991 Integrationsschulen sind“, sagte Eberhard Adenstedt (Bündnisgrüne). Auch wenn die Vorausetzungen für ein gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung heute noch nicht optimal wären, würden sich durch die Teilnahme an dem Pilotprojekt die Klassenstärken verkleinern, allein das sei ein Vorteil, so Adenstedt. Es bestehe jetzt dringend Handlungsbedarf, schließlich sollen in Brandenburg ab dem Jahr 2015 keine Schüler mit Schwierigkeiten in den Bereichen „Lernen, emotionale und soziale Entwicklung“ mehr in Förderschulen aufgenommen werden.
Das brandenburgische Bildungsministerium plant im Zuge der sogenannten Inklusion langfristig sogar eine völlige Abschaffung von Förderschulen. Unter Sonderpädagogen ist genau das aber mittlerweile aber umstritten (PNN berichteten). Auch mit 23 Schülern sei die Klassenstärke noch zu hoch, das Verhältnis von Schülern mit und ohne Förderbedarf müsste außerdem ausgewogen sein, meinen Experten.
Auch Teltows Stadtverwaltung sieht noch Risiken: Grundsätzlich sei die Idee, Kinder mit einer Beeinträchtigung in die Regelschulen aufzunehmen, sehr sinnvoll, sagte Michael Belkner, im Teltower Rathaus Fachbereichsleiter für Schule und Soziales, gegenüber den PNN. „Es wäre aber schön, wenn die Kommunen mehr Zeit hätten, sich darauf vorzubereiten.“ Denn so problemlos, wie die „Schule für alle“ oft dargestellt werde, sei die Umsetzung nicht. Die Lehrer benötigten zusätzliche Qualifikationen, daneben müssten weitere Sonderpädagogen eingestellt werden. Auch die Klassenstärken müssten sich in Teltow von derzeit 25 bis 29 Kinder auf maximal 23 bis 25 Kinder verringern. „Dafür sind auch finanzielle Mittel nötig“, erklärte Belkner.
Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) will zudem sichergestellt wissen, dass die Teilnahme am Projekt, sollte sie denn klappen, regelmässig evaluiert werde. Er fürchtet, dass mit zusätzlichen Lehrkräften vor allem Stundenausfälle kompensiert werden. Im vergangenen Winter hätten an der Anne-Frank-Schule teilweise ein Drittel des Lehrerkollegiums gefehlt, hieß es.
Angelika Hipp, Leiterin der Ernst-von-Stubenrauch-Grundschule, sieht dem Pilotprojekt allerdings gelassen entgegen: „Wir arbeiten bereits jetzt mit drei ausgebildeten Sonderpädagogen, die sich auch eng mit dem Lehrerkollegium austauschen.“ Der Grund: Die Grundschule bietet seit 2003 sogenannte flexible Eingangsklassen an, in denen die Kinder jahrgangsübergreifend unterrichtet werden.
Grundsätzlich müssten im Land Brandenburg ohnehin zunächst alle Kinder aus dem entsprechenden Einzugsgebiet die Regelschule besuchen. Ob ein spezieller Förderbedarf besteht und eine andere Schulform geeigneter wäre, werde erst dort entschieden, so Hipp. Durch die Teilnahme am Inklusions-Projekt könne man somit lediglich besser fortführen, was man ohnehin seit langem verfolge. Kinder, die an den Rollstuhl gefesselt seien, werde man hingegen auch in naher Zukunft nicht aufnehmen können, da die Schule nicht barrierefrei sei. Auch die Aufnahme von Schüler mit einer geistigen Behinderung sei derzeit nicht vorgesehen. Derzeit besuchen aber Kinder mit Hör- und Seh-Schwierigkeiten sowie mit Autismus die Schule.
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