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Potsdam-Mittelmark: Überlebensstrategien für einen Kirchhof

Experten-Kolloqium zum Erhalt des Südwestkirchhofes / Landeskirche bislang zögerlich

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Experten-Kolloqium zum Erhalt des Südwestkirchhofes / Landeskirche bislang zögerlich Stahnsdorf - Der Berliner Senat will ihn aufgeben, die Deutsche Bundeststiftung Umwelt konzipiert fleißig die Bestandssicherung und die Landeskirche als Eigentümerin scheint ratlos: Hinter der Zukunft des Südwestkirchhofes in Stahnsdorf steht ein großes Fragezeichen. Seit der Senat mit dem Entwurf seines Friedhofsentwicklungsplans im vergangenen Herbst vorschlug, den Südwestkirchhof als Begräbnisstätte aufzugeben und als Friedhofspark zu entwickeln, schwebt über der kulturhistorischen Anlage das Damoklesschwert der Schließung. Zwar hat man sich im Konsistorium der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz mit dem Bekenntnis beeilt, den Kirchhof nicht zu schließen, auch wenn er als zentrale Begräbnisstätte keine Bedeutung mehr hat. Doch auf konkrete Aussagen, wie sich die Kirche die Zukunft des weitläufigen Waldfriedhofes vorstellt, wartet man bislang vergebens. Vor allem in der Stiftung Historische Kirchhöfe in Berlin und Brandenburg sowie in der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) wird man ungeduldig. „Es gibt noch keine konkrete Meinungsäußerung der Kirche“, bedauert Christoph Fischer von der Friedhofsstiftung. Zur Argumentationshilfe trafen sich daher gestern 40 Fachleute aus ganz Deutschland in Stahnsdorf, um am Beispiel des Südwestkirchhofes zu erörtern, wie historisch bedeutsame Friedhofsanlagen nachhaltig und wirtschaftlich betrieben werden können. Auf 800 Seiten hat dafür die DBU eine Gesamtkonzept zur Bestandssicherung des Südwestkirchhofes entwickelt. Neben betriebswirtschaftlichen Aspekten wurden denkmalpflegerische und naturkundliche Belange untersucht. Dabei entwickelte man vier verschiedene Szenarien der Nutzung und Bewirtschaftung. Der Erhalt des Status quo würde bedeuten, dass die Landeskirche weiterhin einen jährlichen Zuschuss von 250000 Euro für den Südwestkirchhof aufbringen muss. Denn die 100 Bestattungen im Jahr und die Gesamteinnahmen von jährlich 260000 Euro decken die Kosten nicht. „Das ist eine finanzielle Zeitbombe“, meint DBU-Projektleiter Dennis Bilbrey. Eine Nutzungsintensivierung – als zweites Szenario – ist kaum zu realisieren. Vor dem Hintergrund, dass Berlin nur die Hälfte seiner 1400 Hektar Begräbnisfläche benötigt, der Trend zu anonymen Feuerbestattungen zunimmt und es Ziel des Senats ist, wohnortnahe Friedhöfe zu erhalten, sind 500 Bestattungen pro Jahr als wirtschaftlich notwendige Größe für den Südwestkirchhof illusorisch. Auch die Schließung, als weiteres Szenario, würde die Kirche Geld kosten, denn sie ist verpflichtet, den Kirchhof noch 30 Jahre seiner Widmung zu überlassen. Daher schätzt Christoph Fischer, der als Architekt für die Restaurierung des bedeutsamen Wissinger-Grabes verantwortlich war, eine „Konzentration der Belegungsflächen“ als realistischstes und pragmatischstes Szenario ein. Sollte sich die Kirche zu diesem bislang grob formulierten Entwicklungsziel bekennen – „was sie in den nächsten Monaten tun muss“, so Kirchhofsverwalter Olaf Ihlefeldt –, soll ein Konzept zur künftigen Nutzung der insgesamt 256 Hektar entwickelt werden. Darin soll das Gesamtareal in Grün- und Wirtschaftsflächen, in Kulturraum, Naturflächen mit reichhaltiger Fauna und Flora sowie Brachen gegliedert werden. Bestattungen würden dann nur entlang der Hauptwege möglich sein, die gegenwärtige Begräbnsifläche von 150 Hektar um zwei Drittel reduziert werden. Zudem sollen Flächen gewerblich nutzbar sein – für Baumschulen, Gärtnereien oder Steinmetzwerkstätten. Auch Wohnbebauung in Randbereichen sowie auf der anderen Seite der Potsdamer Allee ist denkbar. „Es ist die Besonderheit des Südwestkirchhofes, dass man sich nicht nur auf eine Facette konzentrieren kann“, so Architekt Fischer. Daher wertet Kirchhofsverwalter Ihlefeldt das Zögern der Landeskirche „als Respekt vor einer nachhaltigen Entscheidung, die für Stahnsdorf jahrzehntelang wirkt“. Peter Könnicke

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