Potsdam-Mittelmark: Und abends ist der Kühlschrank leer
Immer mehr Kinder sind zu dick, so wie der 11-jährige Michael aus Stahnsdorf. Seine Mutter ist überfordert
Stand:
Immer mehr Kinder sind zu dick, so wie der 11-jährige Michael aus Stahnsdorf. Seine Mutter ist überfordert Potsdam-Mittelmark - Karin Hoffmann zuckt mit den Schultern. Ob ihr Sohn Michael* es noch einmal schaffen wird? „Ich habe die Hoffnung schon fast aufgegeben“, sagt die Frau aus Stahnsdorf. Sie habe schon so viel versucht, um Michael zum Abnehmen zu bringen, alles ohne Erfolg. Der 11-jährige Michael gehört zu einer gar nicht mehr so kleinen Minderheit. Nach den Zahlen, mit denen Verbraucherministerin Renate Künast vor kurzem vorpreschte, ist in Deutschland jedes fünfte Kind übergewichtig. Das Phänomen ist in sämtlichen Industrieländern zu beobachten. Die Menschen werden immer dicker, davon bleiben auch die Jüngsten nicht verschont. Aber was tun? Michael hat es sogar schon einmal geschafft. Im vergangenen Jahr hat er während einer Kur deutlich abgespeckt. Doch als er zurückkam, war er schnell wieder beim alten Gewicht: 65 Kilo bei einer Größe von 1 Meter 50. Seine Mutter beteuert, dass sie bewusster einkaufe, Gummibärchen statt Schokolade, Wurst und Käse mit wenig Fett, kein Weißbrot: „Was soll ich denn noch machen?“ Aber sie bekennt auch, dass sie es nicht schafft, das Essverhalten ihres Sohns zu kontrollieren. Erst am Vorabend sei sie nach Hause gekommen und habe entdeckt, dass Michael die gesamten Reste vom Mittagessen vertilgt hatte. Hinterher habe er dann Bauchschmerzen gehabt. Auch beim Psychologen war sie mit Michael schon, doch dagegen sperrte er sich. Als nächstes hat man ihr geraten zur Ernährungsberatung zu gehen. Laut der Teltower Kinderärztin Dr. Sylvia Grundig ist der Fall von Michael nicht untypisch. Erfolgsgeschichten erlebe sie selten, am ehesten noch bei weiblichen Teenagern. Hormonell bedingtes Übergewicht sei die Ausnahme, die Gründe seien, dass die Kinder zum einen falsch essen und sich zum andern zu wenig bewegen. Den wenigsten Leuten gelinge es aber, die Ernährung ihrer Kinder wirklich umzustellen. Gabriele Ellsäßer, Leiterin des Landesgesundheitsamtes, macht außerdem die schlechte Verpflegung in den Schulen verantwortlich. Allerdings widerspricht sie Ministerin Künast. Das Problem habe nicht solche Bedeutung. Lege man das krankhafte Übergewicht zugrunde (in der Fachsprache Adipositas genannt), so liege der Anteil deutlich darunter. Für Potsdam-Mittelmark weist ihre Behörde bei den 10.-Klässlern eine Quote von 7,1 Prozent für Jungen und 9,6 Prozent für Mädchen aus, Tendenz steigend. Laut der Arbeitsgemeinschaft „Adipositas im Kinder- und Jugendalter“ variieren die Ergebnisse stark, je nach Messmethode. Klar sind dagegen die gesundheitlichen Gefahren, für Herz und Kreislauf, Gelenke und nicht zuletzt die Psyche. Auch die Diabetes-Wahrscheinlichkeit steigt. Karin Hoffmann denkt aber nicht so sehr an diese Sachen. Für sie ist das Übergewicht vor allem eine Frage des Aussehens. Da sie selbst schon als Kind nicht dünn war, weiß sie, wie es ist, wenn man sich in seiner Haut nicht wohlfühlt. Volker Eckert * Namen von der Redaktion geändert
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: