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Heimat und Broterwerb. Der Stückener Landwirt Jens Schreinicke wird um die Ungeheuerwiesen kämpfen.

© Thomas Lähns

Potsdam-Mittelmark: Ungeheure Ängste

Landwirt läuft Sturm gegen geplante Vermoorung der Ungeheuerwiesen

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Michendorf - „Unser Land ist seit Jahrhunderten in Familienbesitz – wir werden es nicht hergeben. Nicht noch einmal!“ Wenn er auf den Brief in seinen Händen blickt, werden bei Alfred Schreinicke böse Erinnerungen wach. Er hat den sozialistischen Frühling selbst erlebt. Er hat gesehen, wie die Bauern in den 1950er Jahren ihren Boden erst freiwillig kollektivieren sollten und schließlich doch alle in die LPG gezwungen wurden. Auch die Schreinickes waren auf diese Weise enteignet worden. Ihre Flächen haben sie erst mit der Wende zurückbekommen und bewirtschaften sie seitdem mit Leidenschaft. Jetzt sieht Alfred Schreinicke das Vermächtnis seiner Familie erneut in Gefahr: Weil für ein Naturschutzprojekt Land gebraucht wird – ihr Land.

In dem Schreiben in Schreinickes Händen kündigt die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt an, dass sie demnächst einen „Flächenpool“ aufbauen will. „Dazu sollen bei Bedarf Flächen angekauft und Nutzungsrechte abgelöst und entschädigt werden“, schreibt das Unternehmen mit Sitz in Wittenberg. Die Vorbereitungen auf die Vermoorung der Ungeheuerwiesen am Königsgraben sind offenbar schon in vollem Gange. Zurzeit lässt der verantwortliche Landschaftsförderverein Nuthe-Nieplitz eine Machbarkeitsstudie erstellen, inwieweit sich die Vernässung des 200 Hektar großen Gebietes mit der Landwirtschaft vereinbaren lässt (PNN berichteten). Dass es die hier aber noch geben wird, wenn das Moor wächst, bezweifeln die Schreinickes. Zwar wird in dem Brief angekündigt, dass das „Prinzip der Freiwilligkeit“ entscheidend sei. „Aber wenn die ersten Bauern einknicken, werden auch die restlichen keine Wahl mehr haben“, ist sich Schreinickes Sohn Jens sicher.

Der 38-Jährige hat sich vor zwei Jahren als Landwirt selbstständig gemacht, die Entscheidung dazu fiel in Zeiten der Wirtschaftskrise. Optimismus und Tatendrang prägen seitdem seinen Berufsalltag. 70 Mutterkühe stehen im Stall, auf den Ungeheuerwiesen gewinnt er Futter für sie und für die Pferdehöfe in der Region. Neun Hektar sind Familieneigentum, weitere Flächen sind gepachtet. „Darauf betreiben wir jetzt schon extensive Landwirtschaft“, sagt Jens Schreinicke. Denn die Flächen liegen im Naturschutzgebiet, die darf er immer erst ab Mitte Juni mähen. Er düngt nicht, pflügt nicht, macht nur zwei Heuschnitte pro Jahr und kommt sogar mit dem feuchten Boden zurecht, wie er sagt. „So lange das Wasser unter der Grasnarbe bleibt, kann ich die Wiesen nutzen.“ Von extremer Melioration, wie sie zu DDR-Zeiten betrieben wurde, hält Schreinickes nichts, und selbst in diesen regnerischen Tagen, wo die Wiesen unter Wasser stehen, bleibt er gelassen. Die Mahd hat er eingebracht, auch wenn das Zeitfenster in diesem Jahr sehr eng war.

Schreinicke kann man auch sonst ein starkes ökologisches Bewusstsein nicht absprechen: Statt mit Öl heizt er mit nachwachsendem Holz, über die gesamte Südseite seines Scheunendaches spannt sich eine Solaranlage. Und an Unterständen und Bäumen auf Schreinickes Koppeln hängen Bruthölen für den bedrohten Steinkauz. Doch den aktuellen „Hype“ um den Bau von Mooren kann er nicht nachvollziehen: „Der Moorkörper unter den Wiesen hat sich seit 20 Jahren nicht verändert, warum lässt man ihn nicht so?“, fragt er. Und Wasserspreicher ließen sich in der Region bessere finden. Jens Schreinicke denkt an den Seddiner See. Dass der, wie es ein Projekt vorsieht, mit Nieplitzwasser gespeist wird, sei sinnvoll. Der See könne in trockenen Zeiten über Gräben „angezapft“ werden. Bei einem Moor ginge das nicht.

„Von den Ungeheuerwiesen haben immer fünf Dörfer leben können“, resümiert Alfred Schreinicke. Seit Friedrich der Große den Königsgraben zur Entwässerung anlegen ließ, würden Bauern aus Stücken, Fresdorf, Tremsdorf, Körzin und Blankensee das Land nutzen. Die Schreinickes wollen dieses Erbe weiter pflegen – auch für die nächste Generation.

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