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Potsdam-Mittelmark: „Unser Vater Harry!“

Unheilig und unsichtbar: Kunst in den Heilstätten

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Unheilig und unsichtbar: Kunst in den Heilstätten Beelitz · Heilstätten - Nicht viel Betrieb am Freitagnachmittag zur offiziellen Vernissage der „Europäischen Austausch-Akademie“ (EEA) in Beelitz-Heilstätten. Man schien weitgehend unter sich, Studenten, Lehrer, Offizielle. Angelika Honsbeek von der Niederländischen Botschaft in Berlin pries in ihrer Bühnenrede den deutsch-nachbarlichen Kulturaustausch im Allgemeinen, ihre Heimat sogar als „kulturellen Freihafen“, welcher in Gestalt des Art Directors Harry Heyink nun schon im dritten Jahr „Höhepunktgefühle“ wecke. Vielleicht war dem auch so, denn die Studentinnen Lena von Döhren und Dafna Maimon riefen anschließend unter starkem Jubel nach „unserem Vater Harry“. Dieser hielt seine recht pathetische Rede in der offiziellen Kurssprache Englisch, indes Gerd Ohligschläger von Beelitzer Seite über das Wetter in Europa referierte. Eine lockere Eröffnung, aber auch eine kleine Ernüchterung, denn was man sich als werdender Video-, Bild- oder Objektkünstler vornimmt, muss noch nicht Kunst werden. Die EEA, ohnehin jedes Jahr von neuen Eleven besetzt, war auch in diesem Durchgang mehr Weg als Ziel, den freundlichen Studenten womöglich nützlicher als dem Besucher. Wenig Schönheit, kein Seelenklingeln. Vielleicht muss sogar das Management noch etwas drauflegen: Winzige Zettel an der Straße nach Beelitz warben augenfällig wenig für ein langes Seminar, ohne osteuropäischen Anteil. Nur Harm van Dorpels unauffällige Holz-Skulptur „Spiegel im Spiegel“ an der Bushaltestelle kündete von den Geheimnissen hier drinnen. Wusste man nichts von der jungen Kunst in jener „verborgenen Stadt“– man hätte sie glatt übersehen können. Das Gebäude B 3 der ehemaligen Männer-Lungenheilstätte als Spielwiese für Phantasien: Es gab jede Menge Video-Filme zu sehen, zahlreiche Installationen von Räumen, erfreulicherweise auch Gezeichnetes und Gemaltes, Geschriebenes sowie Ungehörtes: Dafnas Chor über die Krankheiten der Zeit war leider nicht immer verfügbar. Auch dort, wo die Verwandlung einer Moschee in eine christliche Kirche geschehen sollte, sah man keinen Performer. Zoro Feigl machte mit seinem Ventilator tatsächlich viel Wind, dafür keine Wellen. Das Blase-Monster sollte die Aromen der Natur ins desolate Gebäude drücken, so die zweite Idee. Man hätte also länger warten sollen. Auf die hohe Kunst? Heyink behauptet fest, sie sei gar nicht heilig. Junge Leute wollen ernst genommen werden, und das sollen sie auch. Wenn Pilvari Pirtola und Dirk Vis über ein gerahmtes Mauerstück sinnieren oder Jetske Verhoeven zwei arg durchlöcherte Schieß-Figuren Marke Sowjetsoldat zu einer Tischszene gruppiert, dann ist das etwas. Wenn aber Anssi Pulkinen den Arbeitsraum lediglich mit „Nothing really changed“ betitelt, dann war das bestenfalls ein unsichtbares Werk. „The image versus the word“ (Bild gegen Wort) wollte ja die Vernichtung des Bildes durch die Macht des „weltzerstörenden Wortes“ thematisieren. Das will der Betrachter schon irgendwie erkennen. Die gemalte Herren-Buxe im Wandschrank eines Flures, ein verlassener Raum, darin textil gearbeitet wurde, letztlich doch enttäuschend unscharfe Fotos aus der Camera obscura oder die blaugewandete Madonna draußen im Wald, wo ein riesiges Schild „AIR“ verkündete, als menschliche Statue: Reichte das wirklich? Vielleicht war man zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Anregend „Nothing to tell“ (Pilvari Pirtola, Anssi Pulkinnen), eine kreisrunde Brandstätte mit angesengten Armeefahnen, Johann Arens“ Gedanken über das „Hotel Heimat“, Emiels Porträt im Kartoffelsack oder des Briten Koustantinos Koutsospyros“ wanddurchstoßendes Monster-Gebilde. Leider ohne Titel. Hatte „Vater Harry“ nicht gesagt, Kunst sei, den Dingen andere Namen zu geben? Selbst „unheilige Kunst“ könnte dem Publikum gegenüber etwas kommunikativer sein.

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