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Von Kirsten Graulich: Unter der Allmacht der Sowjets gelitten

Bundesverdienstkreuz für Margot Jann, die den Besatzern hilflos ausgeliefert war

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Teltow – Margot Jann war 19 Jahre alt, als ein sowjetisches Militärtribunal sie zum Tode verurteilte. Wegen Bildung einer „geheimen Jugendorganisation“ war sie im Dezember 1945 in ihrem Heimatort Großröhrsdorf verhaftet worden. Sie war nicht die einzige, auch Freunde hatten sich in den Augen der Besatzer verdächtig gemacht. Sie hätten versucht, „den Kommunismus aufzurollen“, so der Vorwurf des Geheimdienstes. 1946 wurde Margot Jann begnadigt und erhielt 25 Jahre Freiheitsstrafe. Anschließend war sie unter unmenschlichen Bedingungen in Bautzen, Sachsenhausen und Hoheneck inhaftiert, wurde im Sommer 1950 wegen guter Führung entlassen. 1996 erhielt sie aus Moskau die Auskunft, es liege nichts gegen sie vor und daher werde sie rehabilitiert.

Margot Jann gehört zu den Zeitzeugen, die darüber berichten können, wie im Osten Deutschlands die Allmacht der sowjetischen Besatzer jeden Menschen zum Verbrecher stempeln konnte. „Durch ihre Fähigkeit, über ihr Schicksal reden zu können und trotzdem in ihrem Wesen der Zukunft zugewandt zu wirken, hat sie schon sehr viele Menschen erreicht und zum Nachdenken gebracht“, würdigte Landrat Lothar Koch (SPD) am Dienstag das Engagement der Teltowerin. Während einer Feierstunde im Neuen Rathaus überreichte er ihr das Verdienstkreuz am Bande. Auch Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) gehörte zu den Gratulanten, unter denen auch viele ehemalige Leidensgefährten von Margot Jann waren. Der Landrat übermittelte ihr die Grüße von Ministerpräsident Platzeck, der die 82-Jährige für diese Auszeichnung vorgeschlagen hatte. Auch die sächsische Staatskanzlei hatte die Ehrung befürwortet. Jann habe das schwere Schicksal der Frauen im Gefängnis Hoheneck mit einer eindrucksvollen Ausstellung dargestellt, die im ehemaligen Potsdamer KGB-Gefängnis zu sehen war. Ihr Engagement habe dazu beigetragen, dass die Gedenkstätte 1997 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte, so Koch.

Neben Gesprächen mit Schülern und Lehrern sei Margot Jann auch Ansprechpartnerin für alle ehemaligen inhaftierten Frauen und helfe, wo Hilfe gebraucht werde. Seit 1991 gehört sie dem Frauenkreis ehemaliger Hoheneckerinnen an, der sich jährlich trifft und dessen Leitung sie nach dem Tode von Maria Stein übernahm. Beide hatten nach der Wende die Treffen organisiert. Auch eine Internetseite (www.frauenkreis-hoheneckerinnen.de) informiert über das Schicksal der politischen Häftlinge, die zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden waren.

„Eigentlich hatten wir uns nur ein wenig reserviert verhalten, als eine Freundin uns damals erklärte, sie sei mit einem Sowjetsoldaten befreundet“, erzählte Margot Jann den PNN. Grund für ihre ablehnende Haltung seien vor allem die Vergewaltigungen gewesen. Doch die Freundin schwärzte sie und ihre Freunde an. Sie solle ein Protokoll unterschreiben, dann könne sie nach Hause gehen, sagte ihr nach dem Verhör ein Offizier. Doch das Protokoll war in Russisch und die 19-Jährige bat darum, dass ein Dolmetscher es ihr übersetzen möge. Der konnte aber erst am nächsten Tag kommen. Abends luden die Offiziere sie und ihre Freunde zum Tanzen ein, doch sie lehnten ab. Dieselben Offiziere saßen am nächsten Tag über die jungen Leute zu Gericht. Da waren zwei ihrer Freunde bereits erschossen worden. Margot Jann: „Die Offiziere wussten, dass wir nicht schuldig sind, aber sie wollten ein Exempel statuieren.“

Kirsten Graulich

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