zum Hauptinhalt

Von Ariane Lemme: Unter Kirschbäumen ist niemand allein

Internationale Schule plant Spendenaktion für Japan / Katastrophe überschattet traditionelle Feste

Stand:

Potsdam-Mittelmark - Mamiko Wada ist vor allem traurig angesichts der Katastrophe in ihrem Land. Zugleich aber ist sie erleichtert über die guten Nachrichten von ihrer Familie, zuhause in Hiroshima. Der Ort, über dem die USA im Jahr 1945 eine von zwei Atombomben abwarfen, gilt nach den aktuellen Ereignissen in Japan als relativ sicher. Er liegt im Süden des Landes und ist damit weit entfernt vom Epizentrum des Erdbebens, aber auch von den havarierten Reaktoren von Fukushima.

Mamiko Wada ist Bibliothekarin an der Internationalen Schule auf dem Kleinmachnower Seeberg. Seit zwei Jahren lebt die gebürtige Japanerin in Berlin und natürlich bereitet ihr die Lage in Japan große Sorgen. An der Internationalen Schule wird derzeit viel mit den Kindern über die Katastrophe in Japan gesprochen, drei der Schüler kommen aus Japan. „Es ist wichtig, die diffusen Ängste der Kinder ernst zu nehmen und so viel wie möglich zu erklären“, sagt die Schulpsychologin Karin von Rosen. Gleichzeitig hilft es vielen Kindern, wenn sie konkret etwas tun können, eine Schweigeminute abhalten etwa oder Geld für die Opfer sammeln.

Das wird die Internationale Schule nun am kommenden Sonntag beim geplanten Konzert des „Berlin-Brandenburg International Music Project“ tun. 150 Schüler aus fünf internationalen Schulen werden dann ab 18 Uhr in der Sporthalle auf dem Seeberg auftreten. Spontan habe man nun beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen, um für japanische Kinder zu sammeln, die durch das Erdbeben ihr Zuhause oder sogar ihre Eltern verloren haben. Nach aktuellen Meldungen sind dort derzeit mindestens 100 000 Kinder obdachlos.

Auch andere Veranstalter traditioneller deutsch-japanischer Projekte in der Region wollen auf die aktuelle Situation reagieren. So soll das japanische Kirschblütenfest der Stadt Teltow in diesem Jahr nicht in der bisherigen Form stattfinden. Mit Hanami feiern die Japaner traditionell mit viel Freude den Beginn des Frühlings, die Kirschblüte ist das Symbol des Landes. Michael Belkner, Fachbereichsleiter für Kultur in Teltow, und die Veranstalter des Kirschblütenfestes sind deshalb übereingekommen, sich bei der Veranstaltung am 8. Mai eher auf Spenden und Solidaritätsbekundungen mit den Japanern zu konzentrieren. „Lustige Wettbewerbe, wie wir sie im letzten Jahr hatten, wäre einfach nicht angemessen“, sagt Andrea Neumann, Pressesprecherin im Teltower Rathaus. „Mit der geplanten Solidaritäts-Tombola können wir uns vielleicht auch ein klein wenig bei unseren japanischen Freunden revanchieren, die nach dem Fall der Berliner Mauer spontan zwei Millionen Mark gesammelt haben“, sagt der Mitveranstalter des Teltower Kirschblütenfests Detlef Fanter. Mit dem Geld wurden bis heute insgesamt 10 000 Kirschbäume gepflanzt, Tausend davon stehen entlang des ehemaligen Mauerstreifens bei Teltow. Das Geschenk sei ein spontaner Ausdruck der Freude über die Wiedervereinigung gewesen, erzählt Fanter, ganz im Sinne des japanischen Dichters Issa: „Unter blühenden Kirschbäumen ist niemand ein Fremder.“

Auch im japanischen Bonsaigarten in Ferch will man auf die Katastrophe reagieren. „Zum 150-jährigen Jubiläum der Deutsch-Japanischen Freundschaftsgesellschaft haben wir ein breit gefächertes Programm über das ganze Jahr verteilt geplant“, sagt Tilo Gragert, der Inhaber des Bonsaigartens. Auf spektakuläre Kampfsportveranstaltungen will Gragert aber nun verzichten. Stattdessen wird der Chor der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Berlin sein Programm erweitern. Gragert hat viele Freunde in Japan, um einen sorgt er sich besonders: „Zum Zeitpunkt des Erdbebens war er in einem Bürogebäude nahe des Epizentrums, bislang konnte ich keinen Kontakt zu ihm aufnehmen, weil die Stromnetze zusammengebrochen sind“, erzählt Gragert. Dass die Menschen dort dennoch relativ gelassen blieben, erklärt er sich so: „Erdbeben sind dort fast alltäglich.“

Auch Mamiko Wada sieht das ähnlich: „Niemand kann mit einer Katastrophe solchen Ausmaßes rechnen“, die Japaner seien normalerweise auf starke Erdbeben gut vorbereitet. Die Disziplin hängt aber auch mit unserer Erziehung zusammen, sagt Wada. Über die Gefahren der Kernkrafterzeugung habe sie sich bisher nie Gedanken gemacht, sagt sie. „Japan ist abhängig von der Kernenergie, wir haben ja nicht viele Ressourcen“, so Wada. „Es ist ein totaler Schock.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })