POTSDAM-MITTELMARK: Urlaub ohne Barrieren

Potsdam-Mittelmark - Im Ferienwohnpark von Simone Mund-Heller lässt es sich aushalten: Die hohen Kiefern spenden Schatten, manchmal weht eine Brise vom nahegelegenen Schwielowsee herüber. Pippilotta und Alexandria, zwei Schafe, streifen zwischen den Bungalows umher und zupfen genüsslich Gras. Sie sind Rasenmäher und Streichelzoo in einem, schmunzelt die Chefin. Seit gut zehn Jahren betreibt sie die Anlage in der Glindower Straße in Ferch mit dem bezeichnenden Namen „Roll In“. Menschen mit Behinderung können hier Urlaub machen und treffen – zumindest auf dem Gelände – kaum auf Barrieren.

Mund-Heller ist gelernte Krankenschwester, jahrelang hat sie in einer Berliner Reha-Klinik mit Querschnittsgelähmten gearbeitet. Die Idee, eine Ferienanlage für Menschen mit Behinderungen und deren Partner und Familien zu eröffnen, habe sie schon damals umgetrieben, sagt sie. 1999 hat sie sich ihren Traum erfüllt, das 5400 Quadratmeter große Gelände von der Treuhand gekauft und die vier DDR-Bungalows instand gesetzt.

Immer mehr Hotel- und Gastronomiebetriebe entdecken diese Kundenklientel. Sie bauen Zimmer barrierefrei um, weisen Behindertenparkplätze aus und werben gezielt um Urlauber mit Handicap. Das wirtschaftliche Potenzial wird auf fünf Milliarden Euro Nettoumsatz geschätzt – pro Jahr. So zumindest steht es in der Erfurter Erklärung, welche die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern im April unterzeichnet haben. Gemeinsam rufen sie Herbergsbetriebe, Verbände und Kommunen auf, die Barrierefreiheit im Hinblick auf den Fremdenverkehr zu verbessern. Dafür sollen allgemeingültige Standards geschaffen werden.

Potsdam-Mittelmark sei in dem Punkt gut aufgestellt, erklärt der Behindertenbeauftragte des Landkreises Udo Zeller. Man widme sich schon seit über zehn Jahren dem Thema und entwickele barrierefreie Angebote „ohne Paukenschlag, aber kontinuierlich“. Erste Impulse sind zum Beispiel im Naturpark Hoher Fläming gesetzt worden: Viele Wege und Einrichtungen sind mit dem Rollstuhl befahrbar, man kann sich ein Elektromobil ausleihen und die Ausstellungen im Naturparkzentrum in Raben können auch von Sehbehinderten erlebt werden. Auch immer mehr Gastronomen würden sich anschließen: Sie werden für die Bewirtung von Touristen mit Behinderung speziell geschult und beim Ausbau ihrer Angebote vom Landkreis beraten. Als Beispiele nennt Zeller das Hotel „Zur Springbachmühle“ in Bad Belzig oder das Familienhotel „Brandtsheide“ in Wiesenburg.

Auch Zeller sieht die Potenziale für die Wirtschaft, erklärt aber, dass es Zeit brauche, bis die Investitionen Früchte tragen. „Die Anbieter müssen es schaffen, beim Nutzer Vertrauen zu erwecken“, sagt er. So müssten die Gäste rundum informiert werden ohne die gängige Haltung „Lass’ mich das machen, du kannst das nicht“.

Insgesamt sei das Spektrum von Touristen mit Behinderung breiter geworden, so Zeller: Es gehe nicht mehr allein um Rollstuhlfahrer, sondern auch um Menschen mit eingeschränktem Seh- oder Hörvermögen oder mit bestimmten Lebensmittel-Unverträglichkeiten, auf deren Bedürfnisse Gastronomen reagieren müssten. Eine weitere wichtige Gruppe in Anbetracht des demografischen Wandels: Die Senioren. „Wer sie nicht als Kundenklientel begreift, wird in Zukunft bares Geld verlieren“, sagt Udo Zeller.

Insgesamt 15 Herbergsbetriebe im Landkreis haben sich mittlerweile von der Tourismusmarketing Brandenburg prüfen und in einen Online-Katalog (www.barrierefrei-brandenburg.de) aufnehmen lassen. Eine der Einrichtungen ist der Ferienpark von Simone Mund-Heller. Sie wünscht sich, dass ihre Initiative auch in der Gemeinde Wellen schlägt und das Angebot für Touristen mit Behinderung rund um den Schwielowsee erweitert wird. In Ferch würden befahrbare Badestellen und Einkaufsmöglichkeiten fehlen, für Behinderte gebe es wenig zu erleben. Die meisten Gäste würden tagsüber gleich nach Potsdam oder Berlin fahren. Thomas Lähns