Von Gerold Paul: V-Männer zwischen Brandenburg und Berlin
Ausstellung „Unsere Väter waren Schiffer!“ im Heimathaus beleuchtet Schifffahrtsgeschichte in Caputh
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Schwielowsee - Nicht Albert Einstein oder das Kurfürstliche Schloss prägen derzeit das öffentliche Interesse, sondern Capuths ureigenste, ja fast private Vergangenheit. „Unsere Väter waren Schiffer!“ steht auf dem Jahreskalender des „Havelboten“ im Leporello-Stil, denselben Titel trägt auch die neue Ausstellung im dortigen Heimathaus. Es geht um die hundertfünfzigjährige Berufstradition der drei eingeborenen Familien Thurley, Lehmann und Steinhardt, um Höhepunkt und Ende der Havel-Schifferei, und was danach kam.
Selbstverständlich schipperten schon vor 1860 Boote über Schwielowsee und Havel. Aber vielleicht waren es keine Kaffenkähne, oft selbstgebaut, mit Segel und einem Mast von 65 Zentimeter Umfang, der bei zunehmend fest gebauten Brücken auf dem Weg nach Berlin (manchmal mit Verlängerung bis nach Königsberg) bis zu zehn Mal gelegt werden musste. Fast hundert solcher Nachen standen im 19. Jahrhundert hier unter Segel, meist nach dem Namen der Ehefrauen benannt – damit sie mitfuhren, wenn sie allein zu Hause bleiben mussten.
Eigentlich waren die Caputher nur die V-Männer zwischen Brandenburg und dem aufstrebenden Berlin, abhängig von den Ton-, Ziegelei- und Kies-Industrie rund um Glindow. Im 19. Jahrhundert florierte das Geschäft mit den „Steinen“, die Metropole war unersättlich. Vor Ort lud man dann noch Kalksandsteine dazu, „hinter der Flottstelle direkt im heutigen Caputher Schießstand gewonnen“, wie ein Zeitzeuge überlieferte. Eine schwere, aber auch einträgliche Arbeit für die Fuhrleute des Wassers, zudem saisonbedingt: Fünfzig- bis neunzigtausend Mauersteine waren auf die „sehr großen Kähne“ zu laden, jeder mit einem Gewicht von fünf Pfund. Dazu wuchteten Halb-, Dreiviertel- oder Vollmänner ihre Schubkarren über schmale Stege zum Lastkahn hinauf, je nachdem, wie viele sie schafften. Unter Achtzehn durfte aber keiner ran.
Anfangs mussten die Schiffer noch beim Dorfbesitzer Karl von Kähne noch „um Ladung“ nachfragen. Eine Fahrt stromaufwärts nach Berlin dauert je nach Wetter drei bis sechs Tage. Dort übernahmen Kettendampfer nach Art von Seilfähren die schwerbeladenen Kaffen. So eine Kette ging durch ganz Berlin bis nach Spandau. Und was kam nun für die meist dreiköpfige Besatzung heraus? Für tausend Steine von Brandenburg in die Hauptstadt bekam man fünf Reichsmark, eine stattliche Summe, wenn man bedenkt, dass man für fünfzig Pfennige zwanzig Bäckerschnecken bekam, „Korn und Bier für zehn Pfennig“.
Das Geld wurde durch vier geteilt, das erste Viertel bekam stets der Kahn, den Rest die Crew. Verpflegung musste privat gebunkert werden, manchmal fuhr der Bäcker auch zu den Kähnen hinaus. Abergläubisch vermied man, Kiepen an Bord zu nehmen, Brot dafür musste beim ersten Betreten der Planken dabei sein. Zu den Feiertagen wurden die treuen Gefährte geschmückt, keiner fuhr aus!
Der Tod dieses Berufszweiges hatte mehrere Väter: Glindow ging langsam der Ton aus, der Durchstich des Sacrow-Paretzer Kanals 1903 stellte Caputh ins Abseits, Weltkrieg Eins verschlang etliche, die findigen Schiffer galten als vorzügliche Pioniersoldaten – indes die Kähne zu Hause verrotteten.
So kam es, dass aus Binnenschiffern notgedrungen Obstbauern wurden. Ungebrochen aber die Erinnerung – neu belebt aber der Stolz auf eine uralte Tradition durch den rührigen Heimatverein, wovon auch die Ausstellung in Wort, Bild, Objekt und Modell gut Zeugnis ablegt.
„Unsere Väter waren Schiffer“ bis zum 15. August Sa. u. So. 15-18 Uhr im Heimathaus Caputh, Krughof 28
Gerold Paul
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