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Schriftstellerheim in Petzow: VEB Elfenbeinturm

Im Schriftstellerheim in Petzow erholte sich die literarische Elite der DDR. Eine aktuelle Ausstellung widmet sich der Geschichte des Hauses.

Werder (Havel) - Bücher werden für gewöhnlich in Häusern geboren, alles andere ist eher selten. Des lieben Angedenkens halber gibt es aber auch Bücher über jene Häuser, die Bücher gebaren. Das hat man öfter, in Hiddensee mit Gerhart Hauptmann, Arno Schmidts Behausung in Bargfeld, beim Huchel-Haus in Wilhelmshorst, bei Wilhelm Fraenger in Babelsberg. Auch Petzow nennt so eine Statt sein Eigen, vielen noch unter dem volkstümlich verkürzten Namen „Schriftstellerheim“ bekannt. Friedrich Wolf war es gewidmet, dem Arzt und Kommunisten.

Nun war es nicht so, dass DDR-Schriftsteller daheim kein Heim gehabt hatten. Trotzdem schienen auch diese Geist-Kolosse alias „Ingenieure der Seele“ mal Erholung, Kontakte, Impulse, vielleicht sogar „Führung“ im Sinn der offiziellen Kulturpolitik zu brauchen, die, nach Heiner Müller, bis heute „Verhinderung von Kultur“ ist. Was sich zwischen 1955 und 1990 in diesem Hause zutrug, war freilich nur ein Teil einer viel längeren und sehr quirligen Story. Dem Petzower Heimatverein vor allem ist es zu danken, dass seine verschollene Historie den Weg zurück ins Licht gefunden hat.

Den Namen des Rittergutsbesitzers Emil Müntmann wird heute keiner mehr kennen. Er gründete 1827 an diesem Platz, nein, kein Heim für bedürftige Intellektuelle, sondern das Ur-Gemäuer einer Ziegeleifabrik, damals an der Havel weit verbreitet. Für 8 RM pro Quadratmeter wurde diese Liegenschaft 1914 parzelliert und scheibchenweise nach Berlin verkauft. 1922 Abriss des guten alten Stücks, wenig später Neubau eines guteren. Aber dem Anwesen schien Stetigkeit vergönnt. 1932 Zwangsversteigerung an den Juden Alfred Berglas aus Berlin, ein Schnäppchen, sein Zuschlag blieb weit unter den geforderten 115 000 RM. Fortan also „Villa Berglas“. Sechs Jahre später Enteignung durch die Nazis. Eigentum des Reiches blieb das nur ein Jahr, dann bekam es ein „arischer“ Italiener und Parteigenosse – für null Reichsmark. Ein Jahr später übernahm Leonora Solm die Immobilie, nun für 141 800 RM! Man sagte den Solms beste Kontakte zur Naziführung nach.

Dann kamen die Russen, mit ihnen die „Garantie- und Kredit-Bank AG“, zuständig für die Abwicklung von Reparationen. Das war im März 1947. Im August verkaufte Frau Solms an das russische Geldinstitut. Auch keine sichere Bank für das Haus, denn schon bald wurde wieder ein Käufer gesucht, nur sollte es bloß nicht „an privat“ gehen. Es gab Interessenten, doch keiner biss an. Just zu dieser Zeit suchte der DDR-Schriftstellerverband ein Häusl für seine Getreuen. Er pachtete 1955 das Haus am See für 20 000 Mark jährlich von der Russenbank, welches bald darauf zum „Volkseigentum“ gekürt wurde, also allen und jedem gehörte.

Zwei Jahre später „übernahm“ das Kulturministerium, so war nun alles in einem Topp. Welche Funktion das „Schriftsteller- Arbeits- und Erholungsheim“ bis 1990 hatte, wer ein- und ausging, wie es von fast der gesamten DDR-Autorenschaft reflektiert und wahrgenommen wurde, studiert man am besten in Petzows Schinkelkirche. Vier Einrichtungen, etwa die Uni Potsdam und die Rosa-Luxemburg-Stiftung, haben diese unerforschte Zeit durchleuchtet. Auf den 15 Schautafeln steht nun in Wort und Bild alles drauf: Die Namen berühmter Besucher wie Arnold Zweig, Leonhard Frank, Sarah und Rainer Kirsch, Christa und Gerhard Wolf, Johannes Bobrowski (er empfand seine Petzow-Zeit als „sehr schlimm“), Maxi und Fred Wander, Peter Hacks, Brigitte Reimann und ihr Gatte Siegfried Pitschmann. Reimann fand als Autorin von „Franziska Linkerhand“ sogar beim Ober-Guru Reich-Ranicki Huld. Sie prägte gegenüber Annemarie Auer 1963 auch den Begriff „VEB Elfenbeinturm“ fürs fremde Daheim am Schwielowsee.

Bekannt, dass es Besucheraustausch mit Ostblockländern gab und dass die Chefs der Schriftstellerverbände Ost und West, Hermann Kant und Günter Grass, dort 1988 über Kultur- und Weltpolitik palaverten. Doch wie heißt es so schön: „Kein Haus ohne Maus“ – Stasis Ohren hörten selbstverständlich mit. Wenig bekannt, dass darin auch genrebezogene Nachwuchsarbeit stattfand. Man kann nachlesen, welche Berichte die Lektoren über ihre Schützlinge schrieben. Immerhin hatte dieses Haus einen Durchlass von 650 Leuten pro Jahr.

Zeitgleich, doch völlig unabhängig von dieser Ausstellung, haben andere Protagonisten diese Zeit aus Sicht der ein Heim suchenden Autoren zusammengestellt. „Villa der Worte“ (Verlag für Berlin Brandenburg) wurde im Rahmen der Petzow-Ausstellung präsentiert. Zurück zum Haus mit den drei Pappeln. Es war Wohnhaus, Spekulationsobjekt, Bank, und Schriftstellerheim, Treuhand-Gut, ging 2001 an die Erbengemeinschaft Berglas retour, wurde zwei Jahre später „an privat“ verkauft. Wetten, dass eines Tages darin wieder Bücher geschrieben werden? Gerold Paul

Geöffnet bis 7. Februar am Wochenende von 13 bis 17 Uhr in der Petzower Kirche.

Gerold Paul

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