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Steffen F. (v.r.) und Hajo T. (h.r.) wurden verurteilt, weil sie die ILB betrogen haben.

© Henry Klix

Betrugsprozess am Amtsgericht Potsdam: Verurteilung nach Betrug mit Jachtenförderung

Zwei Unternehmer von der Insel Rügen sind zu hohen Bewährungsstrafen verurteilt worden. Sie hatten vorgetäuscht, in Werder einen Charterbetrieb eröffnen zu wollen. Die geförderten Hochseejachten vermarkten sie aber an der Ostsee, nicht in Brandenburg.

Stand:

Werder (Havel) - 20 schnittige Hochseejachten für die Havelgewässer? Für Seen, die oft eher Buchten gleichen? Das klingt aberwitzig, auch in den Ohren des Potsdamer Amtsgerichtes: Nach einem Indizienprozess sind am gestrigen Mittwoch zwei mecklenburgische Unternehmer wegen gemeinschaftlichen Betruges verurteilt worden. Um Fördermittel für einen Jachtbetrieb auf Rügen zu bekommen, hatten Steffen F. und Hajo T. vorgegeben, einen Charterbetrieb am Zernsee in Werder gründen zu wollen, wie es bei der Urteilsverkündung hieß.

Die 46 und 47 Jahre alten Männer wurden zu jeweils zweijährigen Haftstrafen, ausgesetzt zu dreijähriger Bewährung, verurteilt. Außerdem müssen die Unternehmer aus Putbus jeweils 18 000 Euro an gemeinnützige Organisationen spenden. 

Vom Zernsee über die Müritz zur Ostsee

Steffen F. hatte im Jahr 2009 mit seiner Goor Sailing GmbH bei der ILB beantragt, den Aufbau eines Bootscharterbetriebes in Werder zu fördern. Vom Zernsee aus sollten die Jachten, überwiegend von der Nobelmarke Bavaria, durch Brandenburg schippern, über die Müritz zur Ostsee pendeln und zurückkehren. So der Plan. „Nicht ein Chartervertrag wurde in Werder geschlossen“, sagte Richterin Reinhild Ahle bei der Urteilsverkündung. Das in Werder angemietete Büro sei unbesetzt und so klein gewesen, dass es für die Unternehmenszwecke und die fünf zugesagten Mitarbeiter gar nicht nutzbar gewesen wäre. „Die Absicht war von Anfang an, die Jachten an der Ostsee einzusetzen.“

Die Gesamtkosten von 2,5 Millionen Euro bezuschusste die Förderbank zu 50 Prozent aus der regionalen Wirtschaftsförderung, das Geld wurde fast komplett zur Anschaffung der bis zu 14 Meter langen Jachten benötigt. Die Boote wurden von Steffen F.s langjährigem Geschäftspartner und Freund Hajo T. von der mit der Goor Sailing eng verflochtenen Goor GmbH besorgt, Rabatte im Umfang von fast 400 000 Euro vom Zwischenhändler wurden dabei nicht weitergegeben. Für das Gericht ein klares Indiz für ein abgekartetes Spiel.

Keine Jachtenförderung in Mecklenburg-Vorpommern

Der Argumentation der Verteidigung, dass sich der Betrieb in Werder nicht rentierte und man ihn nur deshalb an die Ostsee verlagern musste, wollte das Gericht nicht folgen. Steffen F. und Hajo T. hätten jahrelange Erfahrungen in der Branche, so die Richterin. „Das ist lebensfern, dass zwei so erfahrene Geschäftsleute erst nach dem Zuwendungsbescheid der ILB bemerken, dass sich Hochseejachten in Werder nicht vermarkten lassen.“ Ihre Lesart: Da es in Mecklenburg-Vorpommern keine Jachtenförderung gab, hat man es eben in Brandenburg versucht. Von Anfang an hätten Steffen F. und Hajo T. vorgehabt, die Förderbank über ihre wahren Absichten zu täuschen.

In dem Indizienprozess hatte die Verteidigung auf Freispruch plädiert, die Staatsanwaltschaft auf eine dreijährige Haftstrafe. Allein die Masthöhen von zehn Metern und der Tiefgang von 1,40 Meter hätten eine Nutzung in den Havelgewässern erschwert, so Staatsanwalt Tom Köpping. „Die Angeklagten wussten von Anfang an, dass das kein Geschäftsmodell ist.“ Das sei, wie auf dem Hof des Justizzentrums mit einem Formel-I-Auto umherzufahren.

Laxe Kontrollen: ILB habe den Betrug begünstigt

Der Fall wirft erneut ein ungutes Licht auf die ILB, Richterin Ahle zeigte sich verwundert, dass sich die Förderbank nicht als geschädigt ansieht. „Wir sind anderer Ansicht.“ Die ILB habe den Betrug, wie es von der Richterin und von der Staatsanwaltschaft unisono hieß, durch laxe Kontrollen begünstigt. Damit alles wieder passt, wurde der Förderbescheid noch in diesem Jahr dahingehend geändert, dass auch „maritime Dienstleistungen“ – gemeint ist das Winterlager, ein Fördergrund sein können, so das Gericht.

Noch nachdem der Landesrechnungshof den Fall gerügt und die Staatsanwaltschaft nach einer anonymen Anzeige Anklage erhoben hatte, sei die letzte Fördertranche ausgezahlt worden, wie es hieß. Die Verteidigung nahm es als Indiz, dass an den Betrugsvorwürfen nichts dran ist. Gefördert worden sei die Errichtung einer Betriebsstätte, dafür reiche schon ein Briefkasten aus, sagte Rechtsanwalt Ralf Reinbold. „Die Boote sollten überwiegend in den Neuen Ländern unterwegs sein, das sind sie auch.“ Vom Segeln in Binnenrevieren, Kanalfahrten und Küstensegeln sei schon im Förderantrag die Rede gewesen, es sei mit offenen Karten gespielt worden.

ILB weist Vorwürfe zurück

Dass die fünf Mitarbeiter, die laut Förderbescheid zu beschäftigen sind, an der Betriebsstätte tätig sein müssten, stehe auch nicht im Förderbescheid, so Reinbold. „Die Politik, nicht die Handelnden, haben hier ein Produkt am Markt platziert und die Angeklagten haben es genutzt.“ Die ILB habe alles sorgfältig geprüft. „Sie wendet nur das Recht an“, sagte er mit Verweis auf die Förderrichtlinie, die es so in Brandenburg immerhin nicht mehr gibt.

Das Urteil ist nichts rechtskräftig, Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollen die Berufung prüfen. Die ILB wies die Vorwürfe mangelnder Kontrolle gestern zwar zurück, der Einsatz der Jachten auf Rügen sei durch die Förderrichtlinie gedeckt. Von der Verflechtung von Goor Sailing und Goor habe man aber nichts gewusst, , sagte ILB-Sprecher Matthias Haensch. Auch sehe man sich durch die unbekannten Rabatte beim Bootserwerb durchaus getäuscht. „Als Förderbank ist die ILB keine Ermittlungsbehörde und verfügt nicht über entsprechende Instrumente der Wahrheitsfindung“, sagte Haensch.

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