Von Thomas Lähns: Visionen für das Gedächtnis der Stadt
Die Alte Posthalterei wird für über 600 000 Euro saniert / Postkutschen könnten hier wieder halten
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Beelitz - Im Vierspänner geht es über die sommerlichen Nuthewiesen, immer in Richtung Süden. Ab und zu recken die Passagiere ihre Köpfe aus den Fenstern, saugen begierig die Landluft ein. Kurz vor den Stadttoren stößt der Postillion kräftig ins Horn und verkündet vom Kutschbock aus die Ankunft in Beelitz. Gleich ist die erste Etappe geschafft, routiniert traben die Pferde auf die Alte Posthalterei im Stadtkern zu, einem der Höhepunkte auf der Strecke. Im Museum erfahren die Reisenden einiges über die Geschichte der Stadt, des Spargelbaus – und der historischen Poststrecke, auf der sie gerade unterwegs sind. Nach einer Stärkung geht es dann weiter, mit schmetterndem Horn.
Es sind große Visionen, die sich mit dem momentanen Ausbau der Alten Posthalterei verbinden, die Einrichtung eines Streckenpostens für historische Postkutschenfahrten und damit die Wiederbelebung der alten Strecke von Berlin nach Leipzig ist nur eine davon. Führungen durch die Stadt könnten damit verbunden werden, ebenso wie Ausstellungen, die Hand in Hand mit den Beelitzern, aber auch anderen Museen initiiert werden. In ein bis zwei Jahren könnte das Haus in der Poststraße 16 zu einem Besuchermagneten für Nostalgiker und Postfreunde aus der ganzen Bundesrepublik werden. Knapp 500 000 Euro sind im vergangenen Jahr in die Sanierung investiert worden, das meiste davon waren Fördermittel, 63 000 Euro kamen von der Stadt. Dafür konnten die Außenhüllen des Haupt- und der Nebengebäude erneuert werden. In diesem Jahr sollen noch einmal 120 000 Euro fließen, für die Gestaltung der Innenräume.
Bisher umfasste das Heimatmuseum nur die zweieinhalb Räume im Haupthaus. Zurzeit fungieren sie in erster Linie als Lager für die zahlreichen bereits vorhandenen Exponate. Manfred Fließ, Mitarbeiter der Kommunalverwaltung, wacht über das Gedächtnis der Spargelstadt: historische Fahrkarten, zahlreiche Dokumente, Fotos und Raritäten wie Uniformen oder ein gut erhaltenes Posthorn mit dem Namenszug seines ersten Trägers. „Das habe ich vor Jahren bei Ebay ersteigert“, gesteht er. Auch ein Historiker weiß die neuen Möglichkeiten des Internet zu nutzen. Zwischen Aktenordnern, die sich auf einem großen Tisch stapeln und jeder Menge Umzugskartons sitzt Fließ am Computer und brütet über dem neuen Ausstellungskonzept, das nach Abschluss der Innensanierung in diesem Jahr umgesetzt werden soll. Erstellt wurde es von Design-Studenten der Fachhochschule Potsdam, „jungen Leuten mit einem frischen Blick von außen“, so Fließ. Künftig hat er vier bis fünf Mal soviel Platz zur Verfügung, denn auch die Nebengebäude auf dem Hof können dann genutzt werden. Auf den Freiflächen könnte man alte Ackergeräte ausstellen, denn Beelitz soll in all seinen Facetten widergespiegelt werden: als Ackerbürgerstadt, als Garnisonstadt, mit seinen Heilstätten und natürlich als Poststation, thematisch nach Räumen geordnet, würdig umrahmt von dem historischen Gebäude im Stil des spätbarocken Klassizismus. Dass die Räume auch gefüllt werden können, steht für Fließ außer Frage: Der bisherige Platz hätte nicht für den vorhandenen Fundus gereicht, außerdem befinde er sich in engem Kontakt zum Museum für Kommunikation in Berlin. Bereits jetzt stehen hier beachtliche Leihgaben: ein Personen- und ein Paketbestellwagen, beide Kutschen stammen aus dem Jahre 1850. Auch auf den Dachböden der Beelitzer vermutet Fließ noch einige Schätze, die hier präsentiert werden könnten.
Der Postmeister Gottlieb Ferdinand von Kaehne ließ 1789 das Gebäude als Postrelaisstation errichten. Hier standen frische Pferde für die Postkutschen bereit, die auf ihren Fahrten die Spargelstadt passierten. Passagiere konnten verschnaufen und sich stärken oder aus- und zusteigen. Eine Postkutschenstrecke von der Haupt- in die Messestadt hatte es zwar schon viel früher gegeben, doch verlief die noch an Beelitz vorbei. Es gebe noch große Lücken in der Aufarbeitung der hiesigen Postgeschichte, berichtet Manfred Fließ. Sicher sei, dass das Haus bis 1874 in seinem ursprünglichen Sinne genutzt wurde, bevor in der Brauerstraße eine Kaiserliche Postexpedition eingerichtet wurde. Der Telegraph folgte, und mit der Ausbreitung der Eisenbahn verloren Postkutschen auch ihre Funktion als Verkehrsmittel.
Nach über 130 Jahren könnten sie nun wieder regelmäßig durch Beelitz rollen. Der Fuhrunternehmer Bernd Kohlschmidt aus Bergholz-Rehbrücke hatte in den letzten Jahren mit seinen historischen Postkutschen immer wieder Station in der Spargelstadt gemacht. In anderen Bundesländern ist man schon weiter: In Sachsen gebe es ein ganzes Streckennetz, das touristisch genutzt werde, schwärmt Manfred Fließ.
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