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Potsdam-Mittelmark: Vom Projektionsraum bis zum Luftschutzbunker
Führung durch das Scala-Kino in Werder zum „Tag des offenen Denkmals“ / Jubiläumsfeier im Herbst
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Werder (Havel) - Nach sieben Jahren sind die Bauarbeiten im Scala-Kino in Werder weitgehend abgeschlossen. Das ist der Fassade des 70 Jahre alten Hauses zwar nicht unbedingt anzusehen, denn hier fehlt Farbe, dort Isolierung, an der Kellertüre nagt der Rost. Doch im Herzen des Hauses, im Kinosaal, prangt eine neue Panoramaleinwand. Breitere Sessel, neue Tontechnik und hervorragende Projektoren laden zur Filmkunst ein. Davon haben sich am Sonntagabend 30 Filmfreunde im denkmalgeschützten Gebäude bei einer Führung zum „Tag des offenen Denkmals“ überzeugen können, bei der noch ein bisschen mehr zu sehen war.
Kinos auf dem flachen Land sind selten geworden. Um die Kleinmachnower Kammerspiele wird gerungen, in Beelitz ist nur noch der Schriftzug am Hause gegenwärtig, in Caputh wird der Kinosaal bewohnt. Knut Steenwerth, der 64-jährige Enthusiast, der mit der Yorck-Kinogruppe und ihren 14 Berliner Programmkinos alt geworden ist, hat dagegen in privater Eigenleistung in den Erhalt des Hauses in Werder investiert. Am Sonntag wird durch seine kleine Kinowelt geführt.
Im Projektionsraum, dem Herzstück des Hauses, schwärmt der Cineast: „Wir sind das einzige Kino in Brandenburg, das von 16 über 35 bis 70 Millimeter alle Filmformate zeigen kann!“ Er hofft, dass er nächstes Jahr „Goya“ auf 70 Millimeter vorführen kann. Die mangelhafte Isolation der vergangenen Generation macht sich an diesem Tag nicht bemerkbar, im Winter schluckt sie viel Geld. Der Gang vom Projektionsraum unterm Dach zum Luftschutzkeller gleicht einem Warenlager. „Ich komme selber von der Kinotechnik“, sagt Steenwerth. Projektoren, Lampen, Sicherungen, Schachteln, Werkzeug überall. Hinter der neuen Leinwand stapeln sich blaue Kinostühle. Die lagern schon für die nächste Idee, wenn im Vorgarten des Scala Freiluft-Vorführungen gezeigt werden. Im Herbst findet die Jubiläumsfeier zum Siebzigsten statt.
Tief im Keller ist es etwas feucht. Die Gewölbe, weiß gestrichen, waren zur Bauzeit als Luftschutzraum angelegt. 100 Werderaner hätten Zuflucht bei Fliegerangriffen finden können, von denen die Stadt dann weitgehend verschont blieb. Notlicht, sanitäre Anlagen – auch das ist in diesem Denkmal erhalten geblieben.
Selbst die neuen, dunkelbraunen Sitze im Kino sind historisch. So passen sie perfekt in den Saal: Als mal wieder ein kleines Kino geschlossen wurde, fuhr Steenwerth ohne Zögern nach Usedom, packte in Heringsdorf die guten Fauteuils ins Fahrzeug und chauffierte sie ins Havelland. Und weil es so viele waren, fuhr er zweimal. So sitzt man im Saal heute friedliebend und bequem und kann gute Filme sehen, wenn man den Weg ins Kino findet. Die Wandbespannung ist original aus den 40er Jahren erhalten. Unter der Decke durchflutet Licht den schummrigen Raum. Die Raumaufteilung mit 196 Plätzen und die Ausstattung mit sechs Logen muten an wie ein Lichtspielhaus aus vergangener Epoche, leicht nur steigen die zwölf Sitzreihen nach hinten an.
Die Werderaner gehen manchmal vorbei an ihrem Kino, in die Multiplex-Kinos der großen Städte, sagt Steenwerth. Dabei würden dort auch keine besseren Filme laufen. Und Popcorn gibt es auch im Scala, Kaffee und Pils, Süßes. Aktuell wird der hochgelobte Streifen „The King’s Speech“ gezeigt, auch „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ und „Transformers 3“. Damit weiter aktuelle und hochklassige Filme in die Kleinstadt kommen, hat der Kinobetreiber eine Kooperation mit vier Gleichgesinnten in Brandenburg initiiert.
Die ehemaligen Fontane-Lichtspiele hatte Steenwerth vor zehn Jahren von einer Treuhand-Nachfolgerin erworben. Und während er noch immer sein Geld in der Yorck-Gruppe verdient, hat er es in Werder ausgegeben. Hier lebt das Kino fort, es ist ein Stück Selbstverwirklichung für den Filmenthusiasten.
Thomas Wendel
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