
© Lutz Hannemann
Stahnsdorf: Von Autos umzingelt
Eigentümerin der früheren Hautklinik will Umbau am Güterfelder Eck per Klage kippen
Stand:
Stahnsdorf – Seit knapp einem Jahr laufen die Bauarbeiten an der L40 bei Potsdam. Bäume wurden gefällt, tonnenweise Erde bewegt und die neue Brücke für den Zubringer zum Potsdamer Damm steht auch schon. Das alles könnte vergebens gewesen sein – weil ein leer stehendes Anwesen mitten im Baufeld bei den Planungen womöglich nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Am Donnerstag findet vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht eine Verhandlung dazu statt. Klägerin ist eine 78-jährige Jüdin, deren Familie das Elisabeth-Sanatorium kurz nach der Jahrhundertwende als Lungenklinik mitten im Wald errichtet hatte und 1941 von den Nazis enteignet worden war.
Wie ihre Anwälte gestern gegenüber der Presse mitteilten, rechnen sie damit, dass die Richter den Planfeststellungsbeschluss aufheben oder zumindest für rechtswidrig erklären. Im ersten Fall müsste alles zurückgebaut und der mittlerweile zerstörte Park wieder aufgeforstet werden, so Stefan Kobes von der Berliner Kanzlei Luther. „Über Jahre würde eine direkte Anbindung Potsdams an den BER nicht zustande kommen“, sagte er. Im zweiten Fall müssten die Planer noch einmal ran und eine andere Straßenführung finden.
Auf jeden Fall wäre es ein herber Rückschlag für das insgesamt zehn Millionen Euro teure Bauprojekt. Wie berichtet soll bis 2015 der Verkehr am Güterfelder Eck in neue Bahnen gelenkt werden. Dafür soll die Ampelkreuzung abgebaut und die Nuthestraße direkt mit der L 40 in Richtung Schönefeld verbunden werden. Die L 76 in Richtung Teltow wird dann zur Kreisstraße herabgestuft und per Zubringer angebunden.
Das Problem: Mit dem Umbau würde die L 40 künftig nur noch 17 Meter südlich vom Haupthaus der 1914 von Walter Freymuth und seiner Frau Elisabeth gegründeten einstigen Lungenklinik verlaufen. Und auch insgesamt ist das Grundstück beschnitten und regelrecht umzingelt: Im Osten verläuft die L 76 und auf den beiden übrigen Seiten legt sich ein Zubringer um den früheren Park.
Eigentlich wollte die Eigentümerin Ursula Freymuth nach der Rückübertragung 1996 hier ein Hotel entstehen lassen, erklärten ihre Anwälte gestern. Die Gebäude seien nach wie vor in gutem Zustand und damals habe es bereits einen positiven Bauvorbescheid gegeben. Doch dann war 2004 das Planfeststellungsverfahren angelaufen und für das Gebiet wurde eine Veränderungssperre verhängt. Eine Baugenehmigung für ein Hotel war damit aussichtslos geworden. Und so gingen Planer und Land davon aus, dass das Klinikgebäude, die Liegehalle und der gut vier Hektar große Park aufgegeben wurden – und deshalb auch keine Lärmgutachten notwendig seien.
Dagegen verwahrt sich nun die Eigentümerin. „Das Argument ist eine Unverschämtheit“, so Rechtsanwalt Matthias Blessing. Gern hätte die Familie Freymuth ihr Anwesen weiter genutzt – und das schon 1940, sagt er. Doch selbst nach dem Ende der Nazidiktatur wurde das Anwesen nicht zurückgegeben, sondern von den Sowjets übernommen. Die vermachten es 1952 der Stadt Potsdam, die hier eine Hautklinik unterbrachte – und bis 1994 betrieb. Daher sei auch die Restitution nach der Wende schwierig gewesen.
Im Zuge des L40-Umbaus hat das Land bereits per „vorläufiger Besitzeinweisung“ Teile des Grundstücks angekauft, um hier die Straße zu bauen. „Indem die Kläger ihre Flächen verkauft haben, haben sie damit ihre Zustimmung signalisiert“, erklärte gestern der Pressesprecher des brandenburgischen Infrastrukturministeriums Lothar Wiegand. „Wir sind uns unserer Rechtsposition sicher“, so Wiegand weiter, allerdings räumte er ein, dass der Fall möglicherweise erst von einer höheren Instanz entschieden werden müsse.
Ursula Freymuth habe im Hinblick auf die künftige unmittelbare Nachbarschaft zur Schnellstraße keine andere Wahl gehabt als zu verkaufen, hielten gestern ihre Anwälte dagegen. Bei 22 000 Autos am Tag auf vier Spuren direkt vor dem Fenster werde eine Nutzung der Liegenschaft als Hotel unmöglich. Matthias Blessing sprach von der vierten Enteignung, die hier vorgenommen worden sei.
Die Hürden für ein Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht seien hoch, so Rechtsanwalt Korbes. Er räumte ein, dass man das gesamte Anwesen dem Land zum Kauf angeboten habe – zum Verkehrswert der Zeit vor den Bauarbeiten. „Wir wollen das Land nicht übervorteilen“, unterstrich er, nur müsse die Eigentümerin ordnungsgemäß entschädigt werden. Die Offerte sei vom Land bislang ausgeschlagen worden, so die Anwälte, die jedoch keine konkrete Summe nannten. Nach PNN-Informationen sollen erste Angebote zwischen fünf und zehn Millionen Euro gelegen haben.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: