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Potsdam-Mittelmark: Von der Bürgerinitiative zur Bürgerfraktion

Der Wechsel der Streiter für gute Lebensqualität in Kleinmachnow von der außerparlamentarischen Opposition in die Gemeindepolitik war schwierig – aber nicht umsonst

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Der Wechsel der Streiter für gute Lebensqualität in Kleinmachnow von der außerparlamentarischen Opposition in die Gemeindepolitik war schwierig – aber nicht umsonst Dr. Herbert Franke gehörte 1995 zu den Gründungsmitgliedern des Bürgerinitiative für gute Lebensqualität in Kleinmachnow (BIK). Was andere Initiativen in diesem Jahr versuchen, gelang der BIK 1998: der Sprung mit zwei Vertretern in Gemeindeparlament. Mit den Grünen und der FDP wurde die Bürgerfraktion gebildet, deren Vorsitzender Franke ist. Mit 38 Kandidaten tritt die BIK am 26. Oktober erneut zur Kommunalwahl an – mit Franke auf Platz der Liste. Über Kleinmachnow und die Erfahrungen die vergangenen fünf Jahre unterhielt sich Franke mit PNN-Redakteur Peter Könnicke. Wenn Sie derzeit auf Suche nach einem Wohnort wären, würden Sie sich für Kleinmachnow entscheiden? Ja. Warum? Ich wohne gern in Kleinmachnow und würde auch wieder hierher ziehen. Zum einen gewährleisten die Nähe zu Berlin, zum anderen der Garten- und Waldsiedlungscharakter ein hohes Maß an Lebensqualität. Jedoch müssen bei der weiteren Siedlungsentwicklung andere Maßstäbe gesetzt werden, um die noch vorhandenen Grün- und Baumbestände, die im wesentlichen den Charme des Ortes ausmachen, zu erhalten. Sie sind vor fünf Jahren als Streiter für gute Lebensqualität ins Gemeindeparlament gezogen. Hat sich in dieser Zeit die Qualität des Ortes verbessert oder verschlechtert? Leider hat die Verstädterung weiter zugenommen, was sich auch auf die Lebensqualität der Kleinmachnower auswirkt. Allein aufgrund des zunehmenden Verkehrs mit all seinen Belastungen haben sich die negativen Einflüsse vermehrt. Ist demnach Ihr Versuch, Ihr Anliegen fehlgeschlagen? Das möchte ich in keinster Weise sagen. Wir haben vor der letzten Kommunalwahl als Bürgerinitiative die Entwicklung verfolgt und anhand der geplanten Bebauungsprojekte und der Entwürfe zum Flächennutzungsplan voraussehen können. Uns war klar, dass es die politische Zielstellung der Verwaltung und der etablierten Parteien war, die Besiedlungsverdichtung weiter voranzutreiben und insbesondere – was für die freie Wirtschaft kennzeichend ist – , dass die wirtschaftliuchen Intreressen dabei im Vordergrund stehen. Wachstum bedeutete hier Bautätigkeit und Bevölkerungszuwachs. Wir als Bürgerinitiative haben versucht, entgegenzuwirken, indem wir begonnen haben, auf problematische Auswirkungen frühzeitig hinzuweisen. Aber wir mussten feststellen, dass aus der außerparlamentarischen Opposition heraus mit Petitionen und Foren nichts auszurichten war. Daher haben wir uns 1998 zur Wahl gestellt. Ich denke, es ist uns gelungen, unter dem Eindruck des sichtbaren Verlustes an Lebensqualität andere Parteien zu sensibilisieren und uns bei ihnen Gehör zu verschaffen. Es sind keine fremden Mächte, die in Kleinmachnow bauen und gebaut haben: Private Häuslebauer sind heute Einwohner der Gemeinde. Wohnsiedlungen und Supermärkte, ebenso das Ortszentrum und das SportForum bekamen den Segen der politischen Entscheidungsträger. Ist Ihr Engagement nicht ein Kämpfen gegen Windmühlen? Für die ersten Jahre unserer Tätigkeit in der Gemeindevertretung ist der Eindruck sicher zutreffend. Wobei wir nie grundsätzlich gegen das Bauen waren. Nur sollte dabei der Charakter des Ortes respektiert werden. In diese Anfangsjahre fällt auch der Beschluss zum Bau des SportForums. Ihm wurde trotz der von uns geäußerten Bedenken zu der zu progressiv ausgelegten Bedarfsplanung und demzufolge eines zu hohen ökonomischen Risikos mehrheitlich zugestimmt. Besonderes Gewicht in der damaligen Argumentation für das Pro der Verwaltung bildete die Aussage, aus dem Erlös des Betriebes des SportForums die notwenidigen Zuschüsse für das Schwimmbad finanzieren zu könnnen. Die Wirklichkeit sieht heute leider anders aus. In den letzten Jahren konnten für bestimmte Bebauungsplangebiete wie Dreilinden, östlich des Erlenweges, Teilen der Eigenherd-Siedlung und dem Gebiet zwischen Kiefernweg und Käthe-Kollwitz-Straße in der Gemeindevetretung Mehrheiten für eine geringere Bebaubuungsdichte erreicht werden. Ihre Auftritte im Gemeindeparlament sind meist von stereotypischen Aussagen begleitet worden: Als zu groß, zu dicht, unverträglich, untypisch, unangemessen lehnten sie Bauvorhaben ab. Setzen Sie auf die Wirkung: Steter Tropen höhlt den Stein? Die Hoffnung, erfolgreich Einfluss zu nehmen, haben wir nie aufgegeben. Nach den ersten Entscheidungen in dieser Legislaturperiode zu Bebauungsplänen wie am Seemannsheimweg, wie in Teilen der Eigenherd-Siedlung, wo in 3. und 4. Reihe gebaut wurde, hat man gemerkt, dass auch in anderen Parteien Zweifel entstehen, ob man so weiter machen kann. Es bedurfte aber einer bestimmten Atmosphäre, um aus einer Minderheit heraus Mehrheiten zu erzielen. Aus der Rolle einer Bürgerinitiative zu kommen, die immer gegen etwas und nicht immer moderat ist, bedarf es einer gewissen Zeit. Es war auch ein Lernprozess für uns, für ein Miteinander im Gemeindeparlament das erforderliche Klima zu schaffen, um letzlich auch als politische Gruppierung respektiert zu werden. Als Bedenkenträger ist es der BIK dennoch nur selten gelungen, eine breite Bürgerschaft zu sensibilsieren. Wenn ich an die Anfänge als Bürgerinitiative zurückblicke, war das Interesse der Bürger aus den verschiedensten Schichten sehr groß. Zu Beginn unserer parlamenarischen Arbeit hat sich leider gezeigt, dass unsere Aktivitäten und Argumente zunächst nicht berücksichtigt wurden. Es ist der Eindruck entstanden, dass es doch keinen Zweck hat, sich in die Politik einzumischen. Zum anderen ist es so, dass in Kleinmachnow ein enormer Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen ist. Sich einzurichten, braucht seine Zeit, so dass der Blick über den Gartenzaun erst nach einigen Jahren kommt. Der BIK selbst wurde einmal der Vorwurf gemacht, keinen differenzierten Blick für den Ort zu haben, sondern nur punktuell den Finger in die Wunde zu legen. Hatte dieser Vorwurf seine Berechtigung? Aus meiner Sicht nicht. Eines ist wahr: Die BIK-Mitstreiter sind aus einer Bürgerinitiative hervorgegangen, die sich wegen der Baupläne in einem bestimmten Viertel gegründet hatte. Aber wir haben uns von Beginn an für den gesamten Ort interessiert und eingesetzt. Das beweisen unsere eingebrachten Anträge wie zur Reduzierung der Anwohnerbeiträge bei straßenbaulichen Maßnahmen, zur Erweiterung der Aufgabenstellung für ein Verkehrskonzept, zur Erarbeitung eines schulischen Gesamtkonzpetes oder zur Verabschiedung einer Satzung zur Förderung der Kunst im öffentlichen Raum. Sie bringen ihre Verbundenheit zum Ort durch Ihr Streiten für Lebensqualität ein. Wie erklären Sie sich, dass in Verwaltung und in Teilen der Politik, wo auch Leute mit Kleinmachnower Wurzel sitzen, die Vorzüge des Ortes leichtfertig aufs Spiel setzen – leichtfertig aus Sicht der BIK? Ich mache mir schon meine Gedanken dazu. Tatsache ist, dass es der politische Wille der Verwaltung war, mitgetragen von der Mehrheit der Gemeindevertreter und ihrer Parteien, die Siedlungsentwicklung in der bisherigen Art zu vollziehen. Für eine Verwaltung ist es natürlich angenehmer, wenn ein Ort und vor allem seine Einwohnerzahl wächst. Dann hat sie eine andere Position und ein anderes Gewicht im Vergleich mit umliegenden Kommunen. Was die Parteien angeht, ist es schwerer nachzuvollziehen. Wohnraum für Restititutionsopfer zu schaffen, fand auch unsere volle Zustimmung. Doch in vielen anderen Gebieten wurde durch Grundstücksteilungen und Stadtvillen zwar Wohnraum geschaffen, aber maßgeblich für Zuzug. Hier liegt eine Problematik, die von den Parteien nicht in ihrem gesamten Ausmaß wahrgenommen wurde. Schließlich gibt es in einzelnen Parteien auch Interessenvertreter, die in eine bestimmte Richtung lenken und gelenkt werden. Mit wie viel Investoren haben Sie in den vergangenen Jahren gesprochen? An uns ist kein Investor herangetreten. Ich denke, weil wir eine absolute Minderheit darstellten und als nicht Spiel entscheidend galten. Vieles ist festgeschrieben, Tatsachen sind geschaffen. Wo will in Zukunft die BIK auf Lebensqualität in Kleinmachnow achten? Möglichkeiten für Investitionstätigkeit werden weiterhin gegeben sein. Hier muss noch schärfer als in der Vergangenheit darauf geachtet werden, in welchem Maß gebaut wird. Für den Seeberg setzen wir uns voll und ganz für die Sicherung der Schulen ein, aber die Pläne der Telekom für eine Wohnbebauung lehnen wir strikt ab. Das Gebiet ist durch seinen Landschaftsschutz und die Institutsbebauung einmalig geprägt. Mit einer Wohnbebauung ließe sich sicherlich Geld verdienen, aber es wäre ein riesiger Fehler, das zuzulassen. Es gibt zudem im Ort zahlreiche Gebiete, wo verhältnismäßig große Grundstücke in der bisherigen Planung festgeschrieben sind. Aber jede Planung kann verändert werden, was mit Argusaugen betrachtet werden muss. Auch auf dem Gebiet der Verkehrsplanung sind Qualitätsmerkmale zu schaffen. Zu einem guten Lebensgefühl in Kleinmachnow gehören auch ausreichend Kita- und Schulplätze. Daher halten wir einen dritten Grundschulstandort für notwendig. Nicht zuletzt hat sich Kleinmachnow immer dadurch ausgezeichnet, eine Heimstatt für Kultur und Künstler zu sein. Die Kammerspiele als Traditionsstätte sind daher zu erhalten. Ist es eine Kleinmachnower Qualität, in den Kiebitzbergen schwimmen zu gehen? Auf jeden Fall.

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