Potsdam-Mittelmark: Von einer Diktatur zur anderen
Neuerscheinung: Der Kreis Zauch-Belzig 1945-1952
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Potsdam-Mittelmark - Ludwig Zimmermann hat Werders Männer vor einem sinnlosen Tod bewahrt. Als die Rote Armee Ende April 1945 den Ring um Berlin geschlossen hatte, sollte der Reserve-Offizier den „Volkssturm“ in der Blütenstadt mobilisieren. Er weigerte sich und befahl: „Die gesamte Bewaffnung wird sofort abgelegt.“ Statt ins Gefecht zu ziehen, sollten sich die zum Teil noch blutjungen Männer nach Hause begeben, die Uniformen ausziehen und ihren Berufen nachgehen. Wenig später ist die Stadt kampflos den Sowjets übergeben worden.
Nicht überall im damaligen Landkreis Zauch-Belzig lief das Ende des Zweiten Weltkrieges so glimpflich ab. In seinem neu erschienenen Buch „Nachkriegsjahre in der Provinz“ schildert der Historiker Matthias Helle, wie vor allem im Fläming Orte erst von den Sowjets besetzt und dann von der Wehrmacht noch einmal zurückerobert wurden. So lieferte sich eine Division der Armee Wenck noch tagelang im Beelitzer Stadtgebiet Gefechte mit gegnerischen Truppen. Auch Treuenbrietzen wechselte mehrmals die Front, wobei es zu Massakern auf beiden Seiten kam. Am 1. Mai setzten sich die Deutschen Verbände schließlich zur Elbe ab.
Als Nazi-Deutschland am 8. Mai kapitulierte, standen Sieger und Besiegte vor scheinbar unlösbaren Aufgaben: Die öffentliche Ordnung musste wiederhergestellt, die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet werden. Unter der Erfahrung der völligen Niederlage und der zum Teil eigenen Schuld verfielen die Deutschen in Agonie – während es seitens sowjetischer Soldaten zu Übergriffen kam. Noch im Frühjahr wurde mit dem Aufbau provisorischer Gemeindeverwaltungen begonnen, vor allem – aber nicht nur – Kommunisten wurden als Bürgermeister und Ortsälteste eingesetzt. Und während die Besatzer sich daran machten, vermeintliche und tatsächliche Nazis zu bestrafen, begann die KPD/SED, ihren Führungsanspruch Stück für Stück durchzusetzen.
Der aus Fredersdorf bei Bad Belzig stammende Helle hat sich für seine Forschung ein denkwürdiges Objekt ausgesucht: Erstmals ist die Nachkriegszeit speziell in einem deutschen Landkreis untersucht worden. Zauch-Belzig war 1815 nach dem Wiener Kongress gegründet worden – ein Kunstprodukt, zusammengewürfelt aus dem ehemals sächsischen Amt Belzig-Rabenstein und der märkischen Zauche. Er umfasste das heutige Potsdam-Mittelmark, bis auf die Region Teltow sowie den Raum Ziesar-Görzke und die heutigen Mittelmark-Gemeinden nördlich der Havel. Anhand von bislang unveröffentlichten Quellen aus dem Kreisarchiv in Bad Belzig, dem Landeshauptarchiv in Potsdam sowie diversen Ortschroniken hat der Autor die Entwicklung des Landkreises nach dem Kriegsende bis zu seiner Auflösung gut sieben Jahre später nachgezeichnet.
Als wesentliches Instrument, mit dem Nazi-Regime abzurechnen, galt den Besatzern die Bodenreform. Ab 1945 wurden sämtliche Landwirtschaftsbetriebe mit über 100 Hektar Nutzfläche enteignet, insgesamt machte das Reform-Land inklusive Wald ein Viertel der Kreisfläche aus. Die früheren Eigentümer, wenn nicht von selbst geflohen, wurden zwangsweise ausgesiedelt. Ihre Flächen wurden vor allem an Landarbeiter, landarme und landlose Bauern sowie an Vertriebene aus den Gebieten jenseits der Oder vergeben. Vor allem die Neubauern hatten mit dem Mangel an Zugtieren und Maschinen zu kämpfen – und mit den Vorgaben der sowjetischen Kreiskommandantur. Die drängte zum Beispiel darauf, dass frühere Gutshäuser generell abgerissen werden – auch wenn sie völlig intakt waren. Andernfalls würden sie gesprengt werden, drohten die Sowjets dem damaligen Landrat Sydow, der sich der Order widersetzen wollte.
Solche Konflikte wurden von der Bevölkerung jedoch kaum wahrgenommen – die nahm die SED als Juniorpartner der Sowjets wahr. Widerstand hatte es indes nur vereinzelt gegeben. So hat Helle ein Flugblatt gefunden, das im Vorfeld der „Volkswahlen“ im Oktober 1950 in Niemegk aufgetaucht war. „Gehst Du am 15. zur Wahl mit ruhig festem Tritt, denk an Uri, Uri! und Frau, Komm mit!“, erinnert dort jemand an die Konfeszierungen und Vergewaltigungen fünf Jahre zuvor.
1952 hat die SED die kommunale Selbstverwaltung vollständig abgeschafft, die anderen Parteien auf Linie gebracht und die DDR bis in die Bürgermeisterstuben zentralisiert. Zauch-Belzig ging in den neuen Kreisen Belzig, Potsdam-Land und Brandenburg-Land auf. Bei den Einwohnern habe dies – auch wegen der weiten Wege – „emotionslose Zustimmung“ gefunden, schreibt Helle. Wirtschaftlich hatte sich die Region weitgehend erholt, der Unmut innerhalb der Bevölkerung über die „Genossen in Berlin“ aber wuchs. Ein Jahr später brach er sich im Volksaufstand vom 17. Juni 1953 Bahn.
Matthias Helle: „Nachkriegsjahre in der Provinz“, 373 Seiten, erschienen im Lukasverlag. ISBN: 3867321116.
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