Potsdam-Mittelmark: Wahlzeit ist Tunnelzeit
Seit Jahren kämpft Werder für einen schrankenlosen Bahnübergang. Der Bund sicherte gestern die Finanzierung seines Anteils öffentlich zu. Das Land hält sich bedeckter denn je
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Werder (Havel) - Ein typischer Vormittag in Werder: In einer halben Stunde sind die Schranken in der Phöbener Straße fünfmal geschlossen. Einmal stoppt ein nicht enden wollender Güterzug sogar, steht zwei Minuten auf den Gleisen, während die Autoschlange wächst. Die Werderaner müssen sich auf weitere Wartezeiten einstellen. Bis man von der Innenstadt schrankenlos in die Havelauen und zur Autobahn kommt, werden noch Jahre ins Land gehen. Immerhin liegt jetzt ein Drittel der benötigten Gelder für einen Tunnel bereit. Oder für eine Brücke.
Der Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums Rainer Bomba (CDU) hat gestern vor Ort vor Vertretern der Stadtverordnetenversammlung, des Rathauses und der Presse eine Finanzierungszusage gegeben: „Die Bundesregierung versucht, straßengleiche Bahnübergänge so schnell wie möglich zu beseitigen. Werder ist jetzt dran.“ Der Bundesanteil an der Gesamtfinanzierung stehe, sagte Bomba. „Wenn sich das Land Brandenburg mit der Bahn einig wird, stehen unsere Mittel zur Verfügung.“
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche, die gestern mit der Plakatierung zum Bundestagswahlkampf begonnen hat, hatte zu dem Termin eingeladen. „Die Beseitigung von Bahnübergängen trägt wesentlich zur Verbesserung der Sicherheit und Verkehrsabwicklung bei“, sagte Reiche. Vorhaben wie das in Werder würden deshalb „die besondere Unterstützung der Bundesregierung“ finden.
Die Finanzierung solcher Projekte teilen sich laut Eisenbahnkreuzungsgesetz die Bahn, das Land und der Bund zu je einem Drittel. Untersuchungen des Landesbetriebs Straßenwesen hatten schon vor Jahren in Werder tägliche Schranken-Schließzeiten von sechs Stunden ergeben. 7000 Kraftfahrzeuge passieren die Strecke täglich – Tendenz steigend. Denn die Havelauen, das neue Wohn- und Gewerbequartier am Nordzipfel Werders, entwickeln sich rasant. Allein in diesem Jahr werden noch ein Einkaufszentrum und die Blütentherme eröffnet. Ein schönes Thema also vor jeder Wahl.
Seit Jahren hofft die Stadt darauf, die trennenden Gleise überwinden zu können. Den vom Land mal anvisierten Baubeginn für einen Tunnel im Jahr 2012 sollte es dann aber doch nicht geben. Vielmehr scheint jeder Planungsschritt Jahre zu verschlingen. Die Landesstraßenbauverwaltung sprach zuletzt von einem „eventuell möglichen Baustart“ im Jahr 2015, die Bauzeit wird wohl zwei Jahre betragen. Im brandenburgischen Infrastrukturministerium hält man sich inzwischen selbst mit vagen Zusagen bedeckt. „Das größte Problem ist das Geld für den Landesanteil“, räumte Ministeriumssprecher Lothar Wiegand gestern auf Anfrage ein.
Viele Brücken an Landesstraßen seien dringend sanierungsbedüftig, jede Menge wichtiger Projekte stünden auf der Agenda. „Der Bahnübergang Werder hat aus Landessicht nicht die erste Priorität.“ Die Verkehrssituation sei zwar lästig. „Sie funktioniert aber und es gibt da nichts, was uns unter den Händen wegbröselt.“ Wann Geld für die Schrankenfreiheit zur Verfügung stehen wird, könne er nicht sagen. „Aber wenn der Stadt Werder das Projekt so wichtig ist, wäre ein finanzielles Engagement hilfreich“, so Wiegand. Nachgehakt bei Bürgermeister Werner Große (CDU), der reagierte promt: „Da kann man drüber reden, wenn uns mal eine Hausnummer genannt wird.“
Selbst das dürfte schwierig sein, denn es ist wieder offen, ob für Kraftfahrer, Radler und Fußgänger am Ende eine Brücke (11 Millionen Euro) oder ein Tunnel (20 Millionen) entstehen wird. Laut Wiegand will sich das Land mit der Bahn „Anfang des vierten Quartals“ darüber unterhalten. Herrscht über diese Frage keine Klarheit, kann nicht mit dem Planfestellungsverfahren begonnen werden. Vor fünf Jahren war man weiter. Land, Bahn und Bund schienen sich einig, dass aus städtebaulichen Gründen ein Tunnel angezeigt ist: weniger Verschandelung der Umgebung, weniger verteilte Abgase und Lärm. Oder gab es da auch einen Wahltermin?
Zwischenzeitliche Briefwechsel legen nahe, dass es doch eine Brücke werden könnte: Bund und Bahn favorisierten in der schriftlichen Kommunikation zuletzt die „wirtschaftlichste Lösung“, eine Brücke also. Staatsekretär Bomba machte in einem Brief an Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) vor zwei Jahren deutlich, dass darüber hinausgehende Lösungen zu finanzieren hat, wer sie sich wünscht. Seinerzeit war das das Land.
Gestern vor Ort klang Bomba versöhnlicher: Eine Brücke passe mit ihrer „starken Ausladung“ nicht in die Landschaft. „Ich persönlich würde sagen, der Tunnel ist besser.“ Sind Land und Bahn derselben Meinung, würde der Bund auch seinen höheren Drittel-Anteil dazugeben. Ähnlich erfreuliche Aussagen vonseiten des Landes sind wohl frühestens in einem Jahr zu erwarten – vor der Landtagswahl. Bis dahin heißt es warten.
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