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Potsdam-Mittelmark: Wandern gegen Windräder

Bliesendorfer machen mobil für den Erhalt ihres Waldes und setzten auf ein Artenschutzgutachten

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Werder (Havel) - Für die Volksinitiative „Rettet Brandenburg“ geht es um nichts Weniger als um die Verhinderung eines „Energiewende-Desasters“, für die Bürgerinitiative Bliesendorf um die Rettung des Mischwaldes mit wunderbaren Eichenbeständen in unmittelbarer Nähe ihres Dorfes. Dass der in der Bliesendorfer Heide geplante Windpark die Einwohner bewegt, zeigte sich am Samstag, als sich gut 120 Bürger zum Aktions-Wandertag am Gasthaus des kleinen Werderaner Ortsteils versammelten.

Zwar war Regenkleidung angesagt und der Schirm das beliebteste Accessoire, doch das tat der Kampfeslust keinen Abbruch. Initiativensprecherin Eveline Kroll unterstrich nicht nur den Widerstand der Bliesendorfer, sondern blickte auch über den regionalen Rand hinaus. „Wir wollen uns unser schönes Waldgebiet nicht kaputtmachen lassen. Wir wollen überhaupt keine weiteren Windräder mehr, die in brandenburgischen Wäldern entstehen sollen“, verkündete die Aktivistin bei der Begrüßung.

Wie berichtet will die Regionalplanung Havelland-Fläming bis zum Jahr 2014 einen neuen Regionalplan verabschieden, in dem 24 Eignungsgebiete für neue Windfarmen verzeichnet sind. In dem 940 Hektar großen Windeignungsgebiet bei Bliesendorf mit der Bezeichnung WEG 24 rechts und links des Berliner Rings zwischen der Abfahrt Glindow und dem Dreieck Werder sollen demnach 60 bis zu 200 Meter hohe Windräder errichtet werden können.

Beistand erhielten die Bliesendorfer am Samstag auch vom Werderaner Bürgermeister Werner Große (CDU). „Wir unterstützen grundsätzlich das Anliegen. Die Windpark-Pläne richten sich vor allem in dicht besiedelten Gebieten und in Wäldern gegen die Menschen“, betonte er. Die Vorsitzende der SPD/Grünen-Fraktion in der Werderaner Stadtverordnetenversammlung, Anja Spiegel, ist seit einigen Tagen Bliesendorferin. „Ich stecke mitten im Umzug, will aber durch meine Teilnahme am Aktions-Wandertag zeigen, dass wir das Anliegen der Bliesendorfer unterstützen. Ich bin dagegen, dass Wald abgeholzt wird, aber nicht grundsätzlich gegen Windkraft", sagte die Kommunalpolitikerin.

Ein Großteil der Windpatkfläche liegt in der Gemarkung des Nachbarortes Ferch, wie bei der zehn Kilometer langen Wanderung am Samstag deutlich wird. „Jetzt stehen wir auf Fercher Gebiet", zeigte Wanderführerin Gabi Bathe auf die Ortsgrenze, unmittelbar nach Verlassen des Dorfes. „Für die Fercher ist das alles irgendwo am Rand und berührt sie nicht, bei uns ist es vor der Haustür“, betonte sie. Besonders betroffen ist die Bliesendorfer Ansiedlung Resau. Sie ist auf drei Seiten von dem geplanten Windeignungsgebiet umschlossen.

Die Bliesendorfer fühlen sich bedroht. „Ich bin vor 20 Jahren hierhergezogen, weil es ein ruhiges Fleckchen Erde ist und ich mich hier gut erholen kann, deshalb nehme ich auch gern einen längeren Arbeitsweg in Kauf“, sagte etwa Karsten Dietz. Jetzt fürchtet auch er gesundheitliche Gefahren für die Anwohner durch Lärm von der Autobahn, Infraschall und Schattenschlag, sollte der geplante Windpark in der Bliesendorfer Heide entstehen.

Gabi Bathe macht unterwegs auf Besonderheiten der Landschaft aufmerksam. Bei den „Zwei dicken Eichen“ wird ein Zwischenstopp eingelegt. Seit vielen Jahren entwickelt sich dort ein Mischwald. Die Umgestaltung erfolgt auch mit Hilfe von Ausgleichsmaßnahmen für die im Bau befindliche Werderaner Blütentherme. Die uralten Eichen stehen als ein Symbol für das Naherholungsgebiet. Fünf erwachsene Menschen sind notwendig, um den Stamm zu umfassen.

„Vor Kurzem haben wir an diesem Baum dieses Schild entdeckt, darauf steht, dass sich darin ein Fledermausquartier befindet“, zeigt Gabi Bathe auf eine gelbe Plakette in der Größe eines Zwei-Euro-Stücks und ein daneben befindliches Loch im Baum. Auch solche Details lassen die Bliesendorfer Hoffnung schöpfen, schließlich stehen die Fledermäuse unter Naturschutz.

Ein Artenschutzgutachten im Auftrag der Stadt Werder (Havel) soll bis zum Jahresende vorliegen. „Wir müssen so stark sein wie die Bäume“, ruft Bathe. Sie selbst freut sich über einen schon erzielten Erfolg. Die Kirchengemeinde, der ein Teil des geplanten Windparkareals gehört, wird keine Waldflächen aus ihrem Besitz zur Verfügung stellen. Wie berichtet hatte sich der Windkraftbetreiber Prokon aus Itzehoe um weiteres Kirchenland bemüht. „Das ist finanziell nicht zu unterschätzen, wir haben uns aber im Gemeindekirchenrat gegen die Verpachtung entschieden", so Gabi Bathe.

Die Bürgerinitiative will ihren Kampf nicht aufgeben. Dabei sieht Gabi Bathe das Dorf, die Kommunalpolitiker und auch den Nachbarort Glindow hinter sich. „Wir tragen als Glindower diesen Wahnsinn nicht mit", sagte dessen Ortsvorsteher Sigmar Wilhelm am Samstag.

Andreas Koska

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