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Sie streiken wieder: Erzieherinnen aus der Gemeinde Schwielowsee vor der Kita Caputh.

© H. Klix

Streik in Kitas in Brandenburg: Was Erzieherinnen auf die Palme bringt

Die Erzieherinnen in Brandenburg streiken wieder, auch die Mitarbeiterinnen der Kita in Caputh legen erneut ihre Arbeit nieder. Dafür ernten sie aber nicht nur Verständnis. Sie wollen aber durchhalten.

Stand:

Schwielowsee - Das Gehalt bei der Einstellung sei eine Schande, ruft eine Erzieherin in Verdi-Weste. Die Anforderungen seien enorm gestiegen, ohne dass es einen Ausgleich gab, sagt eine andere. Den Erzieherinnen, die sich am Morgen vor der Caputher Kita versammeln, ist schon klar, dass sie mit ihrem Streik die Geduld der Eltern strapazieren. Sie haben ein paar Bierbänke im Kreis aufgestellt und tauschen aus, wie sie begründen können, warum sie am Montag erneut in den Ausstand getreten sind. Die Altersteilzeit sei abgeschafft worden, zwischen Ost und West würden immer noch unterschiedliche Tarife gelten und mit über 40 sei quasi keine Gehaltssteigerung mehr möglich.

So geht es weiter, zwischendurch wird Kaffee geschlürft. Auf einer Liste werden alle Positionen notiert. Passend zur Stimmung schiebt sich gelegentlich eine Wolke vor die Sonne. Die Caputher Kita ist diese Woche zum zweiten Mal geschlossen, nachdem die Erzieherinnen schon vor zwei Wochen dem Verdi-Aufruf gefolgt waren und drei Tage lang gestreikt hatten. Die Stimmung ist angespannter. Eine Streikende erzählt, wie sie vorhin beim Bäcker angezischt wurde, als sie Kaffee für die Kolleginnen holen war: Arbeiten sollten sie, keinen Kaffee trinken. Anderseits drosseln Autofahrer beim Vorbeifahren das Tempo, halten den Daumen hoch.

Zusätzliche Aufgaben für die Erzieherinnen - aber kein Ausgleich

Etwa 2000 Erzieherinnen kommunaler Kitas in Brandenburg sind laut Verdi im Streik, 22 davon aus der Kita Schwielowsee in Caputh. Sie betreuen hier normalerweise jeden Tag etwa 200 Kinder. Jetzt hängen am Zaun die Verdi-Fahnen. Auf dem Bürgersteig dürfen sich die Streikenden nicht mehr aufhalten, nachdem sich ein Nachbar beim Ordnungsamt beschwerte, sie würden den Verkehr blockieren. Also haben sie sich auf dem Kitagelände vor dem Hauseingang zusammengefunden, brav sind sie trotzdem nicht.

Kitaleiterin Claudia Cremer erklärt, was ihre Leute so auf die Palme bringt. „Wenn in einer Wirtschaftsbranche die Anforderungen wachsen, wird das personell oder auf dem Lohnzettel ausgeglichen.“ Erzieherinnen hätten in den vergangenen Jahren eine ganze Palette zusätzlicher Aufgaben übernommen, ohne dass es ausgeglichen worden sei: Für jedes Kind müssten Portfolios geführt werden, die keine Sammelmappen aus bunten Bildchen mehr seien, sondern detailgenau den Entwicklungsstand dokumentierten. Zu Geburtstagen und vor der Einschulung werde der Sprachstand erhoben. Einmal jährlich würden Entwicklungsgespräche mit den Eltern vorbereitet, geführt und protokolliert, und das sei längst nicht alles. Cremer und ihre Kolleginnen begrüßen, dass damit Defizite bei den Kindern früher erkannt und bekämpft werden können. Was sie sauer macht, ist dass damit nicht auch die Anerkennung für ihren Beruf gewachsen ist.

Betreuungsschlüssel: Papier und Realität klaffen weit auseinander

Über allem steht der Unmut über den Betreuungsschlüssel. Das Vorhaben der rot-roten Koalition in Brandenburg, das Zahlenverhältnis von Erzieher und Kind von ein zu zwölf auf eins zu elf zu verbessern, ruft hier nur ein müdes Lächeln hervor. Papier und Realität klafften da weit auseinander, sind sich die Streikenden einig. Vertretungsreserven für Urlaub, Weiterbildung und Krankheit seien bei den Zahlenspielen offenbar nicht eingerechnet, meint eine ältere Erzieherin.

Die an diesem Vormittag versammelten Streikfrauen wissen, dass sie ihren Kampf ohne die Unterstützung der Eltern schwer gewinnen können – zumal die Gegenseite nicht schläft. Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) hat sich am Freitag mit einem Rundbrief an die Eltern gewandt, in der sie ihr Unverständnis für die Streikenden zum Ausdruck bringt. Die Gemeinde habe ein hohes Interesse an einer qualitativ hochwertigen, vor allem aber verlässlichen Kinderbetreuung, schreibt Hoppe. Unzweifelhaft würden die Erzieherinnen hochwertige Arbeit abliefern, statt einer allgemeinen Lohnrunde schlägt Hoppe aber eine verbesserte Eingruppierung in Einzelfällen vor. Denn für den tollen Job hätte es ja schon 2009 bis zu 33 Prozent mehr Gehalt gegeben.

Die Stimmung kann komplett kippen

Die Streikenden fragen sich am gestrigen Dienstag, wo dieses Geld geblieben ist. „33 Prozent mehr hat hier niemand bekommen“, so Claudia Cremer. Nach Verdi-Angaben erhalten Erzieher zum Beispiel ein Einstiegsgehalt vom 2 367 Euro, nach 17 Jahren Berufserfahrung haben sie mit 3 289 Euro ihr bestmöglichstes Gehalt erreicht. Das gilt allerdings nur für Vollzeitbeschäftigte – wobei sich in Schwielowsee die Mitarbeiter vor einigen Jahren auf 38-Stunden-Verträge einließen, um eine Vergabe an Freie Träger zu verhindern. Neue Mitarbeiter würden mit 32 Stunden eingestellt, wie es am Dienstag hieß.

Um das alles den Gemeindevertretern und den Eltern klarzumachen, wollen die Erzieherinnen ihre Positionen in einer Resolution zusammenfassen. Zurzeit gebe es neben deutlichen Unmutsäußerungen noch viel Verständnis von den Eltern, erzählt Diana Schleiter von  Gesprächen. „Ein Vater hat letzten Donnerstag gesagt, er weiß zwar noch nicht, wo er mit seiner Tochter hin soll. Wir würden aber trotzdem das Richtige tun.“ Doch Schleiter und ihren Kolleginnen ist klar, dass die Stimmung auch komplett kippen kann.

Den Eltern nicht mehr zumutbar

Verdi-Landesbezirksleiterin Susanne Stumpenhusen warf den kommunalen Arbeitgebern am Dientag vor, genau damit zu spielen. Sie würden versuchen, den Ausstand auszusitzen. „Die warten darauf, dass sich die Empörung gegen die Falschen richtet.“ Das Gefühl hat man auch in Caputh. Eine Notbetreuung gibt es in der Gemeinde nicht und dass vielleicht die Kitabeiträge zurückgezahlt werden, sei nur ein schwacher Trost für Eltern.

Selbst unter den Kollegen würde es erste Stimmen geben, die sagen, dass man das den Eltern nicht mehr zumuten kann, sagt Kitaleiterin Cremer. Die Kita im Schwielowsee-Ortsteil Ferch hat sich zwar noch an diesem zweiten Streik beteiligt, die Geltower machen aber schon nicht mehr mit. In Caputh will man durchhalten, stärkt sich gegenseitig den Rücken. „Mit freundlich Bitten werden wir unsere Forderungen nicht durchsetzen können“, sagt Cremer. (mit dpa)

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