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Potsdam-Mittelmark: Wege. Pfeile. Farben.

Ein neues Wegeleitsystem in der Reha-Klinik in den Heilstätten soll bei der Heilung helfen

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Ein neues Wegeleitsystem in der Reha-Klinik in den Heilstätten soll bei der Heilung helfen Von Gerold Paul Beelitz·Heilstätten - Ein Tisch ist erst ein Tisch, wenn man an ihm isst, ein Pfeil nur dann ein Pfeil, „wenn er fliegt“. Das sagt eine Philosophie. Ist er zudem noch farbig, um so besser, dann weiß man, wo“s langgeht, pardon – langfliegt. Natürlich wäre eine derart unernste Sicht auf einen hohen Gegenstand wie dem neuen „Besucherleitsystem“ der Neurologischen Reha-Klinik Beelitz-Heilstätten kaum angebracht, wenn sich in dieser Woche nicht leise Zweifel ins Vernissieren geschlichen hätten, den Wert dieser sechs Tafeln im Flur-Entree samt der seltsamen „Dreiecksstele“ betreffend. Töne, Laut! Fliege, Pfeil – in ockernem Rot zur Rezeption, in Grün gen Cafeteria! Fliege glatt oder geschwungen, dick oder dünn, stark oder schwach! Nur fliege, fliege! Denn warme Töne versetzen nicht nur Besucher ins gewünschte Hochgefühl („ach, was für eine schöne Farbe!“), sie sollen auch beim Heilen helfen. Das ist seit Zeiten der Vorvordern bekannt. Nur, ob es diese Arbeiten aus dem Münchener Atelier der Farbgestalter Ursula und Martin Benad, zu denen sich die Medizinpädagogin Susanne Wied gesellte, ebenfalls richten werden, ist noch lange nicht klar. Der beredte Münchner schien die Chefetage der Reha-Klinik von seinem „Pilotprojekt“ überzeugt zu haben, vorerst, denn der ärztliche Direktor Jörg Wissel möchte abwarten, ob sich dieses „Leitsystem“ auch bewähre. Woran man das erkennt? Genau wusste der Professor das auch nicht. Sollte es dennoch gelingen, wird das private Spital die sieben Stücke aus eigener Tasche erwerben. Den Machern geht es darum, die „Trennung von Architektur und Dekoration zu überwinden“, mithin eine in abstrakte Piktogramme gepresste Welt wieder zu versinnlichen, was kalt (wie ein Krankenhausflur) wirkt, „warm“ zu machen, was unbeweglich scheint – die Patienten zeigen es an – soll wieder in Bewegung kommen. Da stimmte die Ärzteschaft zu. Doch um dies zu erreichen, nimmt man in Heilstätten gerade jene Zeichen, deren Natur es bleibt, Zeichen zu sein, eben Pfeile, die schicklichen Ballistiker. Leider scheinen sie unter den Händen des Ateliers eher „Deko“, denn Kunst geworden zu sein. Vor bewegtem Hintergrund wird auf großem Format lediglich ein Fenster Ton in Ton gesetzt, darin die niedlichen Dinger sich ineinander verschlingen, je nach Hier oder Da deutend. Damit aber keiner in die Irre fliegt, hängt neben fast jedem Objekt eine kleine Tafel, wo alles auf übliche Art mitgeteilt wird: Rezeption links, Behindertenklo und Cafeteria rechts. Mit Pfeilen. Nun kann wirklich nichts mehr schief gehen. Man hat es beim Heilstätter Projekt „Farbe mobil“ trotz kolorierter und abgebremster Funktionalität, ausdrücklich mit einem „künstlerisch gestalteten System zur Besucherführung“ zu tun, in Benads Selbstverständnis sogar mit „Installationen“, wie sie sich bereits in der Kommerzbank Zentrale, im Mövenpick-Hotel Frankfurt (Main), bei Mobil2 und in der Berliner Philharmonie befinden. Auch im Porsche-Zentrum Hofheim, worauf man stolz ist wie auf eine gute Verkaufs-Idee. Wer da sagt „Oh, was für schöne Farben!“, hat seinen Porsche schon gecheckt. Martin Benrad sieht das ganz funktional. In der Reha-Klinik sollen es „Heilungen“ sein. Zu diesem Zwecke also fügte er bei der Vernissage Laut an Laut, Pfeil an Pfeil, Philosophie an Tische und Treppen, indes die Patienten, im Rollstuhl teils, den zugigen Flur ganz unbeirrt wandelten und Besucher auf die noch nicht entfernten alten Hinweisschilder schauten, zur fehlerlosen Orientierung.

Gerold Paul

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