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Potsdam-Mittelmark: Welten zwischen Firma und Amt

Wirtschaft und Politik trafen sich in Caputh zum Gedankenaustausch

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Wirtschaft und Politik trafen sich in Caputh zum Gedankenaustausch Schwielowsee. Zahlreiche Faktoren machen zurzeit dem Klein- und Mittelstand in Brandenburg das Leben schwer: öffentliche Aufträge gehen zu einem großen Teil an Firmen außerhalb des Landes. Komplizierte Förderrichtlinien verhindern eine optimale Unterstützung, die Bürokratie schafft mit Reglementierungen zusätzliche Barrieren. „Wo drückt der Schuh?" Mit dieser Frage richtete sich die Verwaltung der Gemeinde Schwielowsee nun an die ortsansässige Wirtschaft. Bereits seit Monaten verfolgt Bürgermeisterin Kerstin Hoppe den Wunsch, Politik und Mittelstand zum Gedankenaustausch an einen Tisch zu bringen. Für diese Idee ließ sich nun auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns gewinnen: zusammen mit Wolfgang König, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam, und der CDU-Kreisvorsitzenden Saskia Funck stand er den Gästen im Märkischen Gildehaus Caputh Rede und Antwort. Die Sorgen der Unternehmer sind universell: „Wir brauchen vernünftige Rahmenbedingungen", forderte der Dachdecker Wolfgang Blank. Er wies auf die neue Handwerksordnung hin, nach der nun auch Ich-AG''s in seiner Branche arbeiten dürfen. Ein-Mann-Betriebe, die nicht einmal einen Meisterbrief brauchen, als legale Konkurrenz: „Ich bin gegen diese Handwerksordnung Sturm gelaufen", erinnerte Wirtschaftsminister Junghanns. So etwas verderbe die Moral. Dem pflichtete auch Handwerkskammer-Chef König bei: „Wir brauchen solide Unternehmen." Wo das Bauamt „Mist gebaut hat" Mit Problemen ganz anderer Art sieht sich der Bauunternehmer Thomas Schielicke konfrontiert. Ihm macht das Bauamt zu schaffen: „Ich kämpfe nicht nur um Aufträge, sondern auch gegen den Landkreis." Zum Reizthema Bauaufsicht konnte Saskia Funck eine Anekdote beisteuern, von einem Michendorfer, der aufgefordert wurde, einen Zaun um seine gelagerten Baumaterialien zu ziehen. Nachdem er der Aufforderung der Verwaltung nachkam, habe die ihn angemahnt, wo denn die Genehmigung für diesen Zaun sei. Funck ist selbst Unternehmerin und kennt die Sorgen ihrer Kollegen: „Zwischen Wirtschaft und Verwaltung treffen Welten aufeinander: Die Mitarbeiter im Amt bekommen pünktlich ihr Gehalt, können Probleme von Unternehmern nicht nachvollziehen." Der Spielraum von Gesetzen werde in den Amtsstuben kaum wahrgenommen, „momentan wird regelrecht nach Punkten gesucht, nach denen man Anträge ablehnen kann", so Funck. Spielräume auszunutzen bedeute, Verantwortung zu übernehmen – und das traue sich niemand. Mehr Flexiblität würden sich die Mittelständler auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wünschen. „Wenn ich die hiesigen Bauschilder betrachte, lese ich nur die Namen von auswärtigen Firmen", kritisierte ein Anwesender. Die öffentlichen Bauträger seien tatsächlich verpflichtet, ihre Aufträge europaweit auszuschreiben, erläuterte der Wirtschaftsminister. Das müsse jedoch nicht heißen, dass europaweit vergeben wird. „Das billigste Angebot ist nicht immer das wirtschaftlichste." Auch Gemeindevertreter und Moderator Heiko Hüller prangerte diese „Aldi-Mentalität" an: „Man kann vielleicht 15 000 Euro sparen, aber arbeitet das auswärtige Unternehmen sorgfältig, übernimmt es Garantie?" Man könne darauf vertrauen, dass ortsansässige Betriebe in ihrem eigenen Interesse ordentlich bauen, bekräftigte Junghanns, denn alles andere würde sich sehr schnell herum sprechen. Bis zu einem Volumen von 100 000 Euro können öffentliche Träger beschränkt ausschreiben. Der Minister empfahl den Aufbau örtlicher Wirtschaftskreisläufe, eine Auftragsvergabe an Betriebe aus der Nachbarschaft sei legitim, die Angst vor Beanstandungen seitens der Kommunalaufsicht müsse abgebaut werden. Bei all den Vorwürfen gegen die Bürokratie machten die Unternehmer fand die hiesige Gemeindeverwaltung Lob. Die Bürgermeisterin sei bemüht, der Wirtschaft den Rücken zu stärken. „Und was den Tourismus anbelangt, sind sie hier begnadet bevorzugt", lobte Junghanns. Tatsächlich wartete Kerstin Hoppe bereits am Anfang der Diskussion mit positiven Zahlen auf: Die Bevölkerung in Schwielowsee wuchs um 2,8 Prozent im letzten Jahr, auch die Gewerbeanmeldungen sind leicht gestiegen. Thomas Lähns

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