zum Hauptinhalt
Nicht nur Piano. Die Band „4Jackson“ spielte Michaels Hits .

© kg

Potsdam-Mittelmark: Weltmeisterschaft am Flügel

Zur zweiten Langen Nacht der Kultur in Kleinmachnow gab es Mode, Rohrpost und Kultur-Fußball

Stand:

Kleinmachnow - Es klang wie Donnergrollen, wenn der Ball in Tornähe geriet, bei einem Ballwechsel wurde plötzlich der Rhythmus schneller und beim Foulspiel ließen spitze Triller das Publikum hochschrecken.

In vielerlei Hinsicht ist Kleinmachnow ein erstaunlicher Ort – auch zur Fußball- WM: Denn als Künstlerort bekannt, wird Fußball hier natürlich zum Kunstwerk. Während andernorts die Straßen wie leergefegt sind, radelten am Samstagabend Kolonnen von Kulturschwärmern durch den Ort, um ja kein Highlight der zweiten Langen Nacht der Kultur zu verpassen, die in diesem Jahr zu sechs verschiedenen Spielstätten einlud. Alles Fußballverweigerer? Von wegen.

So wurde in den Kammerspielen das Spiel zwischen Kolumbien und Griechenland zwar, wie üblich bei Public Viewing, auch auf großer Leinwand übertragen, aber als Schnittstelle ein Flügel auserkoren, an dem Stummfilmpianist Stephan Graf von Bothmer das Spiel musikalisch live interpretierte. So ein Fußballkonzert reißt natürlich das Publikum mit, da Musik schneller wirkt und dramatischer ist als jeder Fußballkommentar. Beim Fußball geht es um Emotionen und das war auch in der Musik zu spüren, die der Tastenprofi seinem Instrument entlockte.

Brauste ein Spieler in einer Situation auf, streute von Bothmer musikalische Gags ein, wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ und mit dem alten Gassenhauer „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen“, quittierte er einen Dialog zwischen Schieds- und Linienrichter. Das Publikum war begeistert, spendete Zwischenapplaus. Zwei Knirpse, die gebannt das Spiel verfolgten, erklärten auf die Frage, wer denn da spiele: „Die Gelben gegen die Blauen, aber die Gelben sind ein bisschen besser.“ Bei vielen Kindern weckte auch die Rohrpost-Teststrecke großes Interesse, die sich nur einige Straßen weiter, im Meiereifeld 33, rund um Haus und Hof schlängelte. Angetrieben von einem Staubsauger raste die Postkapsel durch zusammengestöpselte Regenrohre. Im Atelier nebenan wurde mit Farben experimentiert. Auch Theater, Lesungen und eine Kammeroper standen auf dem Programm.

Innovative Kindermode mit integrierten Spielmöglichkeiten, stellte Anne Sommer im Landarbeiterhaus Z200 vor. Weil Kinder alles in Spielzeug verwandeln, entwickelte die junge Designerin Shirts mit Froschärmeln, eine Hose mit Spielknöpfen und ein Kleid, das mit seinem Gürtel zum Fingertwist-Spiel anregen soll. Auf dem Catwalk wurde auch Damenmode made in Kleinmachnow von Anette Waibel-Butzin vorgestellt. Seide, Wollwalk und Baumwolle sind ihre Materialien für Kleidung im klassischen Schnitt. Am späten Abend stellte Sarah Gwiszcz aus Lübbenau ihre Mode vor, die von sorbischen Trachten inspiriert war. Sie vermische gern Traditionelles und Modernes, erzählte sie, und dabei habe sie auch ihre Liebe zu Blaudruckstoffen entdeckt. Der spreewaldtypische Stoff wird von ihr zu Pluderhosen verarbeitet, die an die spanische Hofmode der Renaissance erinnern, aber wesentlich bequemer sind. Auch enge Beinkleider, die historischen Trikothosen ähneln, fertigt sie daraus und der typischen Haube auf dem Kopf der Frauen verleiht sie durch klare Linien einen Hauch Extravaganz.

Das Publikum war begeistert, vor allem weil diese Mode romantisch ist und dennoch tragbar, auch zu modernen Jeans. Dazu passte die Kulisse der Ziegelfassade und der alten Lindenbäume, deren Blätterdach die letzten Sonnenstrahlen in Silber tauchten. Zwischendurch spielten die „4Jacksons“, eine Berliner Pocket-Brass-Band, Hits von Michael Jackson als Funk, Soul oder Latin. Anschließend schnurrten wieder die Räder durch Kleinmachnow, denn in den Neuen Kammerspielen lief der Kult-Klassiker „Tanz der Vampire“ über die Kinoleinwand. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })