Potsdam-Mittelmark: Werderaner Erinnerungsprojekt umstritten
Bürgermeister Große hat Bedenken gegenüber Stolpersteinen in Werder. Termin für Verlegung verschoben
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Werder (Havel) - Gegen die geplante Verlegung von sogenannten Stolpersteinen in Werder werden jetzt Bedenken von höchster Stelle laut. „Es ist wichtig, dass wir eine würdige Form des Gedenkens finden“, sagte Bürgermeister Werner Große (CDU) gestern gegenüber den PNN. Er sei aber nicht für die Stolpersteine, weil diese kontrovers innerhalb der jüdischen Gemeinden diskutiert werden würden. Kritik hatte unter anderem die ehemalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, an den ins Straßenpflaster eingelassenen Messingplatten geübt: Es sei für sie „unerträglich“, dass auf den Namen ermordeter Juden herumgetrampelt werde. Große schlug vor, stattdessen Gedenktafeln in der Stadt anzubringen.
„Dass wir der Opfer des Nationalsozialismus gedenken wollen, ist unstrittig“, unterstrich Große. Er selbst hatte vor einem Jahr angeregt, dass sich Schüler der Carl-von-Ossietzky-Oberschule mit dem Schicksal von Werderaner Juden während der Naziherrschaft auseinandersetzen. Bei einem Treffen mit den Fraktionschefs in der Stadtverordnetenversammlung sei jedoch die Frage aufgeworfen worden, ob die Stolpersteine die richtige Form des Erinnerns seien. „Das können wir hier nicht entscheiden“, so der Bürgermeister. Er verwies auf das Beispiel München: Dort hatte die Stadt vor sieben Jahren bereits verlegte Steine wieder entfernt – auf Wunsch der jüdischen Gemeinde.
Die Idee zu den zehn mal zehn Zentimeter großen Stolpersteinen stammt von dem Kölner Bildhauer Gunter Demnig: Mit den Tafeln auf Gehwegen und Straßen soll an Juden erinnert werden, die während der Naziherrschaft deportiert, ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden. Verlegt werden sie in der Regel vor dem letzten frei gewählten Wohnort des jeweiligen Opfers. Über 15 000 handgefertigte Steine hat Demnig bereits überall in Europa mit der Hilfe von Vereinen, Bürgern und Kommunen verlegt und ist dafür mehrfach ausgezeichnet worden.
Das Werderaner Aktionsbündnis Kurage treibt die Verlegung von Stolpersteinen in der Blütenstadt voran. Im Mai dieses Jahres wollte man zusammen mit Demnig einen ersten Stein vor dem Haus in der Brandenburger Straße 20 verlegen. Hier hatte der Schüler Hans-Peter Olschowski mit seinen Eltern gelebt, bevor die Familie 1938 ins KZ verschleppt wurde. Er und seine Mutter wurden ermordet. Die Ossietzky-Schüler haben darüber hinaus acht weitere Adressen in Werder ermittelt, an denen jüdische Familien gelebt hatten, bevor sie deportiert oder vertrieben wurden. An den Adressen würde Kurage gern weitere Steine verlegen.
Das Schüler-Projekt läuft noch bis Ende des Schuljahres. Man wolle die Ergebnisse abwarten und dann gegebenenfalls mit weiteren Forschungen ergänzen, sagte Große gestern. Über die Verlegung der Stolpersteine müsse letztendlich die Stadtverordnetenversammlung entscheiden. Dann wird auch der Vorschlag der Gedenktafeln an den Wänden diskutiert werden. Der Bürgermeister verwies auf das Beispiel der Tafel an der Ossietzky-Schule für die sieben jungen Werderaner, die in der DDR gegen den Stalinismus aufbegehrt hatten und zwischen 1952 und 1954 in Moskau erschossen wurden.
Das Aktionsbündnis hat jetzt den 3. August als neuen Termin für die Verlegung des ersten Stolpersteines anvisiert. „Sollten sich die Stadtverordneten dafür entschließen, steht Kurage bereit“, heißt es in einer schriftlichen Mitteilung. In einer öffentlicher Diskussion wolle man den demokratischen Prozess fördern. „Was in hunderten Städten und Gemeinden Europas selbstverständlich ist, muss auch in Werder möglich sein“, so Kurage-Vorsitzender Uwe Dinjus. Thomas Lähns
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